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Mainz startet Europa-Abenteuer: Wie Kamelle für die Karnevalisten
Mainz will das Abenteuer Conference League einfach nur genießen. Auf Zypern geht die Reise los – das Endspiel steigt dann im nächsten Jahr in Leipzig
Herbst ist die ideale Reisezeit für einen Zypern-Trip. Auf der Mittelmeerinsel herrscht im Oktober meist noch bestes Wetter. Insofern haben die Fußballer des FSV Mainz 05 einen guten Auftaktgegner erwischt, der auch den mitreisenden Fans Freude macht: Zum Start der Conference League bei Omonia Nikosia beginnt für den Bundesligisten am Donnerstag ein neues Europapokal-Abenteuer, denn in diesem Wettbewerb spielten die Nullfünfer noch nie.
Die anfängliche Skepsis nach der Einführung des Wettbewerbes 2021 ist bei Vorstand Christian Heidel längst verflogen. »Als das Ding mal irgendwann erfunden wurde, habe ich es überhaupt nicht verstanden. Jetzt sind wir dabei und verstehen es gut«, sagte der 62-Jährige bei RTL/N-TV. »Das ist ein ganz spannender Wettbewerb, auf den wir uns riesig freuen.«
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Für seinen Herzensverein sei das etwas Besonderes, machte der gebürtige Mainzer deutlich: »Wir wissen genau, was für wirtschaftliche Möglichkeiten wir haben. Und deswegen genießen wir natürlich jetzt auch Europa.« Es wirkt, als würde beim selbsternannten Karnevalsverein schon Kamelle geworfen, nachdem die letzte Saison mit Platz sechs im Abschlussklassement süß wie Zuckerwatte geschmeckt hat.
Der Gastgeber, dessen Klubname Omonia auf Deutsch Einheit und Harmonie bedeutet, bekundet ähnliche Wertschätzung für den kleinsten Europacup-Wettbewerb. Die Zyprioten sind Dauergast in internationalen Wettbewerben, scheiterten zuletzt in der Zwischenrunde kurioserweise an den eigenen Landsleuten vom Pafos FC, die gerade vom FC Bayern in der Königsklasse reichlich Prügel bezogen haben.
Die Nullfünfer spielten letztmals auf europäischer Bühne in der Saison 2016/17, als der heutige Sportdirektor Niko Bungert selbst noch auf dem Platz stand. Gegen den französischen Klub AS Saint-Étienne (1:1) brachte der Verteidiger seine Mannschaft mit einem Flugkopfball in Führung, was 20 275 Zuschauer bejubelten. Doch ansonsten sollte der Funke nicht richtig überspringen. Auch gegen den RSC Anderlecht (Belgien) war die Arena am Europakreisel bei Weitem nicht ausverkauft, im letzten Europa-League-Heimspiel gegen FK Qäbälä (Aserbaidschan) verloren sich gar nur 12 860 Besucher auf den Rängen.
Kaum verwunderlich, dass nach der Gruppenphase bereits Endstation war. Der damalige Trainer Martin Schmidt hat von den Europapokalreisen vor allem die »gefühlt 100 000 Regenwürmer« in Erinnerung behalten, die beim Abschlusstraining auf dem zugeteilten Ausweichplatz in Saint-Étienne herumkrochen. »Das war einfach nur grauselig und eklig«, erinnert sich der Schweizer, der in Mainz noch als Berater mitmischt.
Da haben sich die Bedingungen hoffentlich verbessert, wenn Mainz auswärts noch bei Universitatea Craiova (Rumänien) und Lech Poznań antritt, zuhause geht’s gegen Zrinjski Mostar (Kroatien), AC Florenz und Samsunspor Kulübü (Türkei). Was ist drin für die Mainzer? »Nach außen irgendwelche Ziele zu posaunen, um dann unter Umständen eine Lachnummer zu werden, das machen wir nicht«, sagte Heidel. »Wir wollen als Erstes versuchen, auf Zypern zu gewinnen. Aber natürlich ist es schon unser Ziel, die Ligaphase zu überstehen.«
Fleißig Punkte zu sammeln, hilft auch der Bundesliga – für die Uefa-Fünfjahreswertung, bei der Siege in der Conference League genauso zählen wie in der Champions League. England hat seine Vormachtstellung ja auch deshalb ausgebaut, weil Tottenham Hotspur die Europa League und der FC Chelsea die Conference League gewannen.
Nun hat Leipzig den Zuschlag bekommen, am 27. Mai 2026 das Conference-League-Finale in der Red-Bull-Arena auszurichten. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass der Brauseklub am Ende der verkorksten Vorsaison sogar die Option hatte, sich für diesen Wettbewerb zu qualifizieren – aber auch dieses Ziel verpassten die Sachsen.
Die Rheinhessen sind womöglich auch der bessere Repräsentant, wobei es am wenigsten um wirtschaftlichen Erfolg geht. Denn der Europapokal ist finanziell eine Drei-Klassen-Gesellschaft. In der Champions League fließen allein 2,5 Milliarden Euro durch die Uefa an die 36 Klubs, 565 Millionen Euro sind es in der Europa League, 285 Millionen Euro bleiben noch für die Conference League. Heidel hat schon mal grob durchgerechnet, dass in der Liga-Phase zunächst rund drei Millionen Euro reinkommen, die aber durch Prämien, Reise- und Organisationskosten zu erklecklichen Teilen wieder aufgefressen werden.
Immerhin muss der Verein keine Sitzplatzschalen mehr im Fanblock installieren. Ein weiterer Grund, dass die Mainzer Ultras die Conference League inzwischen richtig dufte finden. Aber erst mal Zyperns Hauptstadt genießen.
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