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Olympische Spiele in Berlin? Kein Brot, aber Spiele
Kritik an der Bewerbung von Berlin für Olympische Spiele
Im alten Rom stellten die Kaiser das Volk mit Brot und Spielen ruhig. Sie ließen Getreide verteilen sowie Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe veranstalten. Heute herrscht in Berlin an allen Ecken und Enden der Mangel. Es werden Mittel gekürzt, wo es geht. Doch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) treiben die Bewerbung der Stadt für Olympische Spiele voran.
Die Oppositionsfraktionen Linke und Grüne rügen, dass Senatorin Spranger Fragen zur Finanzierung des Sports und insbesondere zur Bewerbung für Olympische und Paralympische Spiele dem zuständigen Ausschuss des Abgeordnetenhauses nicht fristgemäß bis zum 26. September um 12 Uhr beantwortet habe, sondern ohne Erklärung und Entschuldigung erst am 29. September um 18.53 Uhr.
»Die Vermutung liegt nahe, dass die Fragen der Abgeordneten zum Sporthaushalt und zu Olympia nicht fristgemäß beantwortet wurden, weil die Antworten die Olympia-Show von Wegner und Spranger in der Senatspressekonferenz hätten stören können«, erklärt der Abgeordnete Kristian Ronneburg (Linke). »Es drängt sich der Eindruck auf, dass Sportsenatorin Spranger bei der Olympiabewerbung vor allem auf Showeffekte setzt und sie bereit ist, dafür auch die Rechte des Parlaments zu missachten.«
»Die Vorliebe für aussichtslose Großprojekte ist ein Merkmal der schwarz-roten Koalition.«
Gabi Jung BUND-Landesgeschäftsführerin
»Die Austragung Olympischer Spiele in Berlin würde uns über die kommenden Jahre viele Milliarden kosten, die für die dringend notwendige Sanierung von über 50 gesperrten Sport- und Schwimmhallen fehlen werden«, ergänzt die Abgeordnete Klara Schedlich (Grüne). »Dass der Senat schon mit der Bewerbung beginnt, die Kontrollrechte des Parlaments zu übergehen, und keine ausreichende Transparenz über die Kosten schafft, lässt Böses erahnen, wie mit künftigen Ausgaben für Olympische Spiele umgegangen wird.« Das Olympia-Projekt drohe zu einem »unabsehbaren Milliardengrab« zu werden, wenn CDU und SPD dem Parlament die Haushaltskontrolle verweigern.
Die Vorliebe für aussichtslose Großprojekte sei ein Merkmal der schwarz-roten Koalition, meint Gabi Jung, Landesgeschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Seien es hochfliegende Pläne für Dutzende Kilometer neue U-Bahnstrecken, Bebauungsfantasien für das Tempelhofer Feld oder der Wunsch, in 10 bis 20 Jahren Olympische Spiele auszurichten, zählt sie auf. In der herrschenden Haushaltskrise sei dies unverantwortlich.
Während Senatorin Spranger noch Anfang September Krokodilstränen vergossen habe, dass leider kein Geld für mehr Blitzer aufzutreiben sei, »sollen aus ihrem Etat nun sechs Millionen Euro für die Berliner Olympiabewerbung abgezweigt werden«, beklagt Jung. Olympische Spiele seien das Letzte, was Berlin brauche. Wie die anderen Megaprojekte dienten sie vornehmlich der Ablenkung von den vielen großen und kleinen Problemen der Stadt. Solche Projekte fressen dem BUND zufolge bereits in der Anbahnungsphase wertvolle Ressourcen, die anderswo dringend benötigt würden. Außerdem verweist die Umweltorganisation darauf, dass sich Olympische Spiele in den letzten 30 Jahren »eigentlich immer als Minusgeschäft« für die ausrichtende Stadt erwiesen hätten.
Als »Indoktrinationskomitee« bezeichnet das Bündnis NOlympia die zentrale Steuerungseinheit nebst Kuratorium, die eingerichtet werden solle, um die Bevölkerung von Olympischen Spielen in Berlin zu überzeugen. Der Senat scheine seinem Olympiakonzept nicht viel zuzutrauen, wenn er das für notwendig halte. »Immerhin hier zeigt er Realitätssinn.« Die für die Zeit bis 2027 veranschlagten Kosten von sechs Millionen Euro würden anderswo fehlen. Man solle das Geld lieber in die Sanierung und den Bau von Sportstätten stecken.
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Dagegen rührt der Landessportbund (LSB) die Werbetrommel für Olympische Spiele in Berlin, die es dort 1936 schon einmal gegeben hat. Daher verfügt Berlin bereits über ein Olympiastadion. »Die Olympischen und Paralympischen Spiele bieten eine einmalige Chance für die Sportentwicklung in unserer Stadt«, schreibt LSB-Präsident Thomas Härtel in seinem Newsletter. Dies gelte für den »Kiez-Bolzplatz bis zum Olympiastadion«.
Mit seiner Volksinitiative »Die Spiele für Berlin« sammelt der Sportbund Unterschriften »für ein friedliches und verbindendes Sportfest«. Wer unterzeichnet, fordert damit auch, dass im Zuge der Olympiabewerbung die Sanierung und der Neubau von Sportstätten und Schwimmbädern »hohe Priorität und finanzielle Absicherung erhalten« und dass ein Fonds aufgelegt werde, der direkt in den Breitensport investiert. Zunächst werden innerhalb von sechs Monaten 20 000 gültige Unterschriften benötigt.
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