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Musiklehrer in Berlin: Ein paar gerettet, Großteil bleibt prekär
Für 200 der an öffentlichen Musikschulen freiberuflich tätigen Lehrkräfte gibt es eine Perspektive
Die in Berlin um ihre Zukunft bangenden Lehrkräfte an Musikschulen haben Grund zur Hoffnung – zumindest ein paar. Im Zuge der jüngsten Haushaltsverhandlungen haben die Regierungsfraktionen von CDU und SPD beschlossen, für die Festanstellung bisher auf Honorarbasis freiberuflich tätiger Musikschullehrer*innen jährlich 4 Millionen Euro bereitzustellen. Damit können 2026 und 2027 pro Jahr 100 Vollzeitstellen neu entstehen. Insgesamt sind derzeit etwa 1500 freiberufliche Lehrkräfte für die bezirklichen Musikschulen tätig, das entspricht 800 Vollzeitstellen.
Der Landesmusikrat begrüßte die Entscheidung. »Die Bereitstellung der Mittel für mehr Festanstellungen durch die Regierungskoalition ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, für den wir gemeinsam mit Lehrkräften, Eltern und Gewerkschaften intensiv gekämpft haben, dem aber weitere folgen müssen«, erklärte die Präsidentin des Landesmusikrates Hella Dunger-Löper.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hält die erstmalige haushälterische Berücksichtigung der Umwandlung freier in feste Beschäftigungsverhältnisse ebenfalls für einen wichtigen Schritt. Zugleich sagt sie, dass damit nur ein Viertel des tatsächlichen Bedarfs gedeckt sei; die berufliche Zukunft des Großteils der Lehrkräfte bleibe unsicher. »Nach heutigem Stand droht ein Jobverlust, sollten die Beschäftigten nicht bis Januar 2027 in eine Festanstellung überführt werden«, erklärte die Gewerkschaft. Sie forderte den Senat auf, ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen, »um das Musikschulangebot auf dem bisherigen Niveau aufrechtzuerhalten«.
CDU-Fraktionschef Dirk Stettner beschrieb die Bereitstellung der zusätzlichen Gelder als einen »wichtigen Schritt in die richtige Richtung, dem alsbald hoffentlich noch weitere folgen«. »Um das gesamte Problem in Gänze sofort zu lösen, wären schätzungsweise 18 bis 20 Millionen Euro notwendig«, sagte Stettner. Die seien im Moment aber nicht übrig.
»Mehr als 100 Neueinstellungen im Jahr werden die Bezirke organisatorisch gar nicht stemmen können.«
Cerstin Richter-Kotowksi (CDU) Staatssekretärin
Staatssekretärin Cerstin Richter-Kotowksi (CDU) sagte am Montag im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses: »Mehr als 100 Neueinstellungen im Jahr werden die Bezirke organisatorisch gar nicht stemmen können. «In seinem über die Musikschulen hinaus wegweisenden sogenannten Herrenberg-Urteil hatte das Bundessozialgericht 2022 festgestellt, dass freiberufliche Lehrer*innen als scheinselbstständig gelten, wenn sie in den organisatorischen und administrativen Ablauf der Schule eingebunden sind. Damit wurde insbesondere die Beschäftigungspraxis in Berlin infrage gestellt. Während in der Hauptstadt ein Viertel der Musiklehrkräfte fest angestellt ist, ist im Bundesschnitt lediglich ein Viertel freiberuflich tätig.
Bis zum Ende des Jahres 2026 gilt eine vom Bundestag verabschiedete Übergangsregelung, die die selbstständige Tätigkeit zulässt, sofern die Musikschullehrer*innen dieser zustimmen. Lehrkräfte, die aus dem Lehrbetrieb ausgeschieden sind, weil sie eine entsprechende Erklärung nicht unterschreiben wollten, hätten nun ebenfalls die Möglichkeit, sich auf die neuen Stellen zu bewerben, sagte Richter-Kotowski im Kulturausschuss. Weiterhin gilt ein Stillhalteabkommen mit der Deutschen Rentenversicherung, Arbeitsverhältnisse nicht auf mögliche Scheinselbstständigkeit und somit entgangene Versicherungsbeiträge zu prüfen.
Während andere Städte wie etwa Köln allen ihren Beschäftigten eine Festanstellung angeboten haben, wirkt der Berliner Senat darauf hin, dass der Bund die Honorartätigkeit über eine Gesetzesänderung dauerhaft ermöglicht. Entsprechend beantragte das Land im Bundesrat, sich zur Notwendigkeit von freier Beschäftigung von Lehrkräften in öffentlichen und privaten Einrichtungen zu bekennen. Mit der im Februar angenommenen Beschlussfassung erbittet der Bundesrat von der Bundesregierung, den »rechtssicheren Einsatz von selbstständigen Lehrkräften, Lehrbeauftragten und Dozierenden in Schulen und in den Einrichtungen der Weiterbildung und des Kulturbetriebs sowie an Hochschulen« zu ermöglichen.
Der Senat hat immer wieder darauf verwiesen, dass die »meisten Lehrkräfte, insbesondere an Volkshochschulen, weiterhin gerne freiberuflich tätig bleiben« möchten. 2019 war eine Verdi-Umfrage an Musikschulen zu dem Schluss gekommen, dass 80 Prozent der Honorarkräfte lieber fest angestellt wären. In Hamburg und Bremen sind 100 Prozent der Lehrkräfte an öffentlichen Musikschulen fest angestellt.
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