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BSW-Politikerin wirbt für Impfungen
Brandenburgs Gesundheitsministerin und die Kassenärztliche Vereinigung starten Informationskampagne
»Ich habe Impflücken«, gesteht Brandenburgs Gesundheitsministerin Britta Müller (BSW) am Dienstagmorgen, als sie der Allgemeinmedizinerin Marion Kurzweil ihren gelben Impfausweis reicht. »Impfen ist und bleibt eine persönliche Entscheidung«, betont die Politikerin. Sie hat sich entschieden und lässt sich in der Praxis von Kurzweil in Potsdam gegen Grippe impfen. Empfohlen wird das ab 60 Jahren. So alt ist Müller noch nicht. Sie wird im Dezember 54 Jahre alt.
Doch will die Ministerin mit gutem Beispiel vorangehen. Immerhin trifft sie auch Tag für Tag viele verschiedene Personen. Sie ist deshalb einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Dann raten Ärzte ebenfalls zur Grippeschutzimpfung – genauso wie bei chronisch Kranken und bei Schwangeren.
So eine Impfung ist keine große Sache. Ein kleiner Pieks und alles ist erledigt. Heute keinen Sport mehr treiben und es könnte sein, dass sich Britta Müller nach der Impfung in den nächsten drei Tagen ein wenig kränklich fühlt, klärt Marion Kurzweil auf. Die Ärztin hat die Praxis in der Friedrich-Ebert-Straße 38 seit 13 Jahren und bestellt den Impfstoff für die im Herbst beginnende Grippesaison immer schon im März. Sie spricht Patienten, die wegen irgendwelcher Beschwerden einen Termin haben, auf möglicherweise anstehende Impfungen an und registriert keinerlei Impfmüdigkeit.
Insgesamt lässt die Impfquote in Brandenburg jedoch zu wünschen übrig. Hatten sich in der Saison 2009/10 immerhin 68,3 Prozent der Einwohner über 60 des Bundeslandes eine Grippeschutzimpfung verabreichen lassen, so waren es in der Saison 2023/24 nur noch 52,2 Prozent. Aber eine Ansteckung kann für alte und schwache Menschen lebensbedrohlich sein.
»Impfungen zählen zu den größten medizinischen Errungenschaften unserer Zeit.«
Britta Müller Gesundheitsministerin
Auch Masern, Tetanus und Diphtherie sind gefährliche Krankheiten, an denen Menschen sterben können. Tetanus, den Wundstarrkrampf, kann sich leicht zuziehen, wer sich bei der Gartenarbeit mit der Sichel schneidet oder mit einem anderen scharfen Gerät. Die Impfung gegen eine Tetanus-Infektion sollte alle zehn Jahre erneuert werden. Trotzdem lassen viele Menschen ihre Impfung »gar nicht oder nicht regelmäßig auffrischen«, beklagt Ministerin Müller.
Deshalb startet ihr Gesundheitsministerium gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburgs (KVBB) eine Informationskampagne. Auf den dazu gestalteten Plakaten steht beispielsweise: »Am besten gar nicht erst krank werden.« Der Ministerin gefällt am besten das Plakatmotiv mit dem Slogan »Impfen macht Küssen noch gesünder«.
Britta Müller erklärt sich die Impfmüdigkeit mit den vielen Impfungen während der Corona-Pandemie und auch mit den möglichen Impfschäden, die manchen verunsichert haben. Im Mai hatte sich die Ministerin mit Menschen getroffen, die unter den Folgen ihrer Corona-Impfung leiden. Der Erzieher Dennis Hehlgans hatte ihr damals von quälenden Schmerzen in Armen und Beinen erzählt, von starkem Schwitzen, Schwindelgefühl und Schlappheit. Die Krankenschwester Claudia Schneider berichtete von Krämpfen, die mehr als 20 Minuten anhalten.
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Befürchtungen in der Bevölkerung nehme sie ernst, beteuert Ministerin Müller. Doch anders als die während der Pandemie sehr schnell zugelassenen Impfstoffe gegen das Coronavirus seien die Standardimpfungen etwa gegen Tetanus und Masern bewährt. »Impfungen zählen zu den größten medizinischen Errungenschaften unserer Zeit«, versichert Britta Müller. Die Politikerin ist erst vor einem Monat dem Bündnis Sahra Wagenknecht beigetreten. Parteichefin Wagenknecht hegt große Vorbehalte gegen die gängigen Corona-Impfungen. Scharfe Kritik an den umstrittenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gehört beim BSW zum guten Ton.
Dagegen sieht die KVBB-Vorstandsvorsitzende Catrin Steiniger in den neuartigen mRNA-Impfstoffen wie Biontech und Moderna durchaus eine große Chance. Steiniger weist aber extra darauf hin, dass gegen Tetanus, Masern und Grippe auf die herkömmliche Weise geimpft werde. Aufklärung darüber gebe es bei den Hausärzten. »Mit unserer Kampagne wollen wir Praxen unterstützen und Patientinnen und Patienten motivieren, ihren Impfschutz regelmäßig zu überprüfen«, erklärt Steiniger. »Nur so können wir das Vertrauen in die Impfungen festigen und die Impfquoten in Brandenburg nachhaltig verbessern.« So schlecht seien diese Quoten übrigens nicht, aber sie könnten besser sein.
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