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Fall Kilani: Linke vertagte Entscheidung über Ausschluss

Palästinensischer Aktivist hatte Berufung gegen Parteiausschluss eingelegt

Solidaritätskundgebung für Ramsis Kilani vor dem Karl-Liebknecht-Haus
Solidaritätskundgebung für Ramsis Kilani vor dem Karl-Liebknecht-Haus

Ende September hatte Die Linke wieder eng mit Ramsis Kilani zusammengearbeitet, als es um die Organisation der Demonstration »Zusammen für Gaza« ging, zu deren Kernteam er gehörte. So berichtete Kilani es dem »nd« kurz vor seinem Termin in der Linke-Parteizentrale. Denn ob er auch wieder zurück in die Partei darf, sollte dort am Samstag geklärt werden. Doch dazu kam es erst einmal nicht.

Eigentlich sollte die Bundesschiedskommission an diesem Vormittag in einem Berufungsverfahren klären, ob die einstimmige Entscheidung der Berliner Landesschiedskommission vergangenes Jahr richtig war. Sie hatte Kilani aus der Linken mit der Begründung aus der Partei ausgeschlossen, er habe den »Terror der Hamas« relativiert, »selektive Kritik an Gewalt gegen Frauen als Mittel der Kriegsführung« geübt und das »Existenzrecht Israels« abgelehnt. So jedenfalls hatte die stellvertretende Linke-Vorsitzende Katina Schubert zumindest den Antrag auf Parteiausschluss begründet, den sie gemeinsam mit dem früheren Parteichef Martin Schirdewan gestellt hatte.

Anschließend wurde Kilani im »Tagesspiegel« unter anderem als »extrem israelfeindlicher Aktivist« bezeichnet, womit seine politischen Positionen in Bezug auf Israel gemeint sind. Kilani ist etwa davon überzeugt, dass »ein gerechter Frieden in der Region nur möglich« sei, »wenn der zionistische Apartheidstaat als Produkt von expansionistischem Siedlerkolonialismus mitsamt all seinen rassistischen Gesetzen entmantelt und durch eine säkulare, demokratische Gesellschaftsform« ersetzt werde.

Protest vor der Parteizentrale

Am Samstag hatten sich anlässlich der Berufungsverhandlung rund 50 Unterstützer*innen vor dem Berliner Karl-Liebknecht-Haus zu einer Solidaritätskundgebung für Kilani versammelt. Sie weisen die Vorwürfe gegen den Aktivisten zurück.

Unter den Demonstrierenden war auch eine Delegation des Linke-Bezirksverbands Berlin-Neukölln, zum dem Kilani gehörte. Vielmehr setze sich Kilani – der durch die Tötung seines Vaters und seiner Geschwister 2014 durch die israelische Armee selbst betroffen ist – für gleiche Rechte aller Menschen zwischen Jordan und Mittelmeer ein.

Nach Medienberichten, in denen aus dem nicht öffentlichen Ausschlussantrag zitiert wird, wird ihm parteischädigendes Verhalten und Äußerungen auf Social Media vorgeworfen, in denen er das Existenzrecht Israels ablehne sowie den Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 verteidige. Auch um eine Chatnachricht sei es dabei gegangen, in der Kilani schrieb: »Wir sind bereit, den antikolonialen Befreiungskampf durchzuziehen und international zu unterstützen. Ich denke, es wird mehr als ›einen Mord an Israelis‹ brauchen.« Der Tagesspiegel hatte das Zitat zunächst fälschlich ohne Anführungszeichen im Zitat zur Kennzeichnung einer Aussage wiedergegeben. Kilani sagt, die Aussage sei auch deshalb falsch interpretiert worden. Er habe gemeint, es gelte, statt »individueller Tötungen« vielmehr, »internationale Unterstützung für einen antikolonialen Befreiungskampf aufzubauen«.

Kurz vor dem Verfahrenstermin betonte der Aktivist in einer Ansprache vor der Parteizentrale, es gehe ihm um die Befreiung und Gleichberechtigung aller Menschen in der Region. Auch den Vorwurf der Parteischädigung ließen die Redner*innen auf der Kundgebung nicht gelten: »Mir wurde gesagt, dass auch ich der Partei schade, wenn ich hier wenn in Solidarität mit Ramsis spreche«, sagt eine Sprecherin der Neuköllner Linken. Sie glaubt, es wäre ein »Bankrott, wenn es der Linken nicht gelingt, als sozialistische Partei eine laute Stimme gegen Völkermord zu sein«.

Aus der Landesarbeitsgemeinschaft Palästina-Solidarität der Linken hieß es: »Die Linke muss erkennen, dass Zionismus eine koloniale, rassistische Ideologie ist.« Der Rausschmiss Kilanis sei daher nichts anderes als die »Staatsräson innerhalb der Linkspartei«. Doch die rote Linie dürfe eben nicht der Antizionismus, sondern die Staatsräson sein. Denn »Staaten haben kein Existenzrecht, sondern Menschen.«

Es soll neue Vorwürfe geben

Weil es noch keine schriftliche Begründung für den Ausschluss gibt, ist bisher unklar, inwiefern die Vorwürfe gegen Kilani im Landesschiedsverfahren belegt oder entkräftet wurden. Laut Kilani gründete sich der Ausschlussantrag auf dem falsch wiedergegebenen »Tagesspiegel«-Zitat und einem weiteren, erfundenen Zitat. Weder Katina Schubert noch Martin Schirdewan wollten sich damals dazu äußern.

Zu einer endgültigen Klärung kam es auch am Samstag nicht, die Entscheidung wurde in den November verschoben. Kilani sagt, die Vorwürfe gegen ihn seien sehr wohl entkräftet worden. Zur Verschiebung sei es gekommen, weil Schirdewan neue Vorwürfe eingebracht habe, die nun geprüft werden müssten.

Auch der Druck innerhalb der Partei dürfte das Berufungsverfahren beeinflusst haben. Es gehe um nichts Geringeres als die Frage, ob Ines Schwerdtners Entschuldigung auf der großen palästinasolidarischen Demonstration Ende September ernst gemeint sei, die stellvertretend für die ganze Partei gelten müsse, sagte die Vertreterin der Linken Berlin-Neukölln. Schwerdtner hatte am 27. September gesagt: »Wir haben zu lange geschwiegen, ich habe zu lange geschwiegen. Das, was in Gaza stattfindet, ist ein Genozid.« Weiter versprach sie, Die Linke werde die Protestbewegung schützen.

»Vor allem in Bezug auf die vielen Neueingetretenen könnte das zu großen Verwerfungen führen«, sagte Kilani dem »nd«. Von ihnen und der gesamten Basis der Linken erhalte er sehr viel Unterstützung.

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