Frankfurt (Oder): Die blaue Welle gebrochen

Axel Strasser (parteilos) wird neuer Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder). Die AfD gewinnt nirgends

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Küsschen zum Sieg. Axel Strasser feiert mit seiner Verlobten den Wahlsieg im Rathaus von Frankfurt (Oder).
Küsschen zum Sieg. Axel Strasser feiert mit seiner Verlobten den Wahlsieg im Rathaus von Frankfurt (Oder).

Vor den jüngsten Bürgermeisterwahlen kündigte die AfD vollmundig eine blaue Welle an, die sie unaufhaltsam in die Rathäuser spülen sollte. Doch vorerst bleibt die Partei in Brandenburg ohne Bürgermeister. Nur in Eisenhüttenstadt, Frankfurt (Oder) und Wriezen hatten es die Kandidaten der AfD überhaupt in die Stichwahlen am Sonntag geschafft, und da unterlagen sie nun ihren jeweiligen Mitbewerbern.

»Natürlich hätten wir uns bei diesen Stichwahlen mehr erhofft«, musste der Landesvorsitzende René Springer einräumen. Er meinte, einen Fehler gefunden zu haben: »Bei der Urnenwahl erzielten unsere Kandidaten solide Werte, doch bei der Briefwahl brechen ihre Stimmen teils regelrecht ein.« Darum forderte Springer: »Die Briefwahl muss abgeschafft werden.« Der Landesvorsitzende beschwerte sich, dass die anderen Parteien alles tun würden, um Siege der AfD zu verhindern. Das sei »kein demokratischer Wettbewerb mehr, sondern ein orchestrierter Machtkampf«. Springer glaubt jedoch, die Brandmauer gegen die AfD sei ein »Auslaufmodell«, und es werde der Tag kommen, an dem ein AfD-Kandidat eine Bürgermeisterwahl in Brandenburg gewinne. Die nächste Chance gibt es am 19. Oktober in Oranienburg. Dort steht Anja Waschkau (AfD) in der Stichwahl gegen Jennifer Collin-Feeder (SPD).

Frankfurt (Oder)

In Frankfurt (Oder) wird nun aber Axel Strasser (parteilos) neuer Oberbürgermeister. Er hat am Sonntag 15 837 von 22 676 abgegebenen gültigen Stimmen erhalten. Damit besiegte Strasser mit einem Ergebnis von 69,8 Prozent souverän den Landtagsabgeordneten Wilko Möller (AfD).

In der ersten Runde der Oberbürgermeisterwahl am 21. September hatte Wilko Möller mit 30,2 Prozent zufällig fast exakt dasselbe Ergebnis erzielt wie jetzt. Aber auch seinerzeit hatte Strasser schon vor ihm gelegen, wenn auch zunächst nur mit 2,2 Prozentpunkten. Der deutliche Vorsprung am Sonntag ist schnell erklärt. Die Kandidatin Désirée Schrade (CDU) war im September mit immerhin 28,8 Prozent nicht in die Stichwahl gekommen, Simona Koß (SPD) war mit 8,6 Prozent gescheitert. Doch ihre Wähler werden nun mehrheitlich für Strasser gestimmt haben. Das ist das typische Verhalten, wenn AfD-Kandidaten in eine Stichwahl vorstoßen. Dazu müssten gar keine Aufrufe der anderen Parteien erfolgen. Es hat sie aber gegeben.

Die Linke hatte beispielsweise offene Fragen an Axel Strasser, etwa zu seiner künftigen Zusammenarbeit mit den Stadtverordneten und wie er die AfD behandeln würde. Dennoch gab Die Linke eine Wahlempfehlung für ihn ab, weil Strasser immer noch besser sei als ein AfD-Oberbürgermeister.

Wriezen

Ähnlich überlegen wie Strasser über Möller siegte in Wriezen Bürgermeister Karsten Ilm (CDU) mit 71,4 Prozent der Stimmen über den AfD-Kandidaten Thomas Knels. Das ist insofern nicht überraschend, als Amtsinhaber Ilm die Stichwahl beinahe gar nicht gebraucht hätte. Denn im September hatte er mit rund 49 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit und damit den Durchmarsch nur knapp verfehlt.

Eisenhüttenstadt

Weniger deutlich fiel das Ergebnis am Sonntag in Eisenhüttenstadt aus. Hier triumphierte in der Stichwahl Marko Henkel (SPD) mit 57 Prozent über Maik Diepold (AfD). In der ersten Wahlrunde im September hatte der AfD-Kandidat Diepold mit seinen damals 37,8 Prozent noch einen erklecklichen Vorsprung von 8,9 Prozentpunkten auf Henkel gehabt. Doch es war absehbar, dass der Sozialdemokrat das Rennen macht. Solche Rückstände haben in der Vergangenheit auch andere aufgeholt, wenn es gegen die AfD ging.

Potsdam

Die politischen Verhältnisse in Potsdam sind gänzlich andere als im übrigen Brandenburg. Nicht von ungefähr gewann hier bei der Bundestagswahl im Februar Olaf Scholz (SPD) einen von nur zwei Wahlkreisen in ganz Ostdeutschland, den sich die AfD nicht sichern konnte. In Potsdam war Chaled-Uwe Said (AfD) mit nur 13 Prozent gar nicht erst in die Stichwahl vorgestoßen, stand also am Sonntag nicht mehr auf den Wahlzetteln.

Es entschied sich zwischen der parteilosen Noosha Aubel und Severin Fischer von der SPD. Mit 72,9 Prozent der Stimmen hat Aubel ihren Konkurrenten regelrecht deklassiert. Sie lag nicht nur in sämtlichen Stadtteilen vorn, sondern sogar in jedem einzelnen Stimmbezirk. Es hat Fischer auch nichts geholfen, dass sich der frühere Linksfraktionschef Stefan Wollenberg für seine Wahl ausgesprochen hatte. Wollenberg hatte vorher schon lange treu zu Ex-Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) gehalten, der im Mai bei einem Bürgerentscheid abgewählt wurde.

Die Linke insgesamt hatte in Potsdam keine Wahlempfehlung abgegeben. Der für die Linken angetretene Dirk Harder war der erste Potsdamer Oberbürgermeisterkandidat der Sozialisten seit Jahrzehnten, der nicht in die Stichwahl vorgedrungen war oder nicht wenigstens das zweitbeste Ergebnis erzielt hatte. Seine 16 Prozent waren dennoch beachtlich. Severin Fischer hatte nur 0,9 Prozentpunkte vor ihm gelegen.

Mit Noosha Aubel bekommt Potsdam erstmals seit 1990 eine Rathausspitze, die nicht der SPD angehört. Sie ist nach Brunhilde Hanke (SED), die von 1961 bis 1985 amtierte, erst die zweite Oberbürgermeisterin in der Geschichte der Stadt.

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