Dem Unrecht die Stirn bieten

Zwei neue Bücher zur Ermächtigung der Zivil­gesellschaft gegen Rechts­populisten und Rechtsextremisten

  • Mirco Drewes
  • Lesedauer: 5 Min.
Demonstration in Berlin gegen einen Aufmarsch aus dem rechten Spektrum, das unter dem Motto »Gegen Volksverrat und gegen Übergriffe auf unser Volk« gegen Migration hetzt, August 2025
Demonstration in Berlin gegen einen Aufmarsch aus dem rechten Spektrum, das unter dem Motto »Gegen Volksverrat und gegen Übergriffe auf unser Volk« gegen Migration hetzt, August 2025

Was angesichts ihrer politischen Forderungen, der in diskreten Veranstaltungen mit Vorfeldorganisationen und internen Kommunikationsforen geplanten Verbrechen und der Beteiligung von AfD-Mitgliedern an rechtsextremen Terrornetzwerken längst offensichtlich war, ist behördlich seit dem Gutachten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz verbrieft: Die AfD ist »gesichert rechtsextremistisch«. Was für vermeintliche Klarheit sorgen sollte, hebt seitdem den politischen Eiertanz der CDU, mitunter aber auch der in Seeheimer Kreisen rotierenden SPD, auf ein höheres Niveau.

Ob insinuiert wird, ein Antrag auf Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens beim Bundesverfassungsgericht schließe eine politische Bekämpfung der AfD aus; ob behauptet wird, ein solcher Antrag nütze propagandistisch der AfD, die ohnehin nie auf den Opfermythos verzichten kann; ob Bundeskanzler Friedrich Merz die Feinde der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) zu »politischen Gegnern« adelt und damit auf Augenhöhe hebt; ob Innenminister Alexander Dobrindt das Ergebnis eines Verfahrens vorwegnimmt und in seiner Wiedergabe des Verfassungsschutzgutachtens entweder verrät, es nicht gelesen zu haben, oder absichtlich ganze Kapitel verschweigt, die sich der für ein Verbot geforderten »aktiv kämpferischen, aggressiven Haltung« der Partei gegen die FDGO widmen; ob Bayerns Ministerpräsident Markus Söder einfach fordert, alle Debatten über ein Parteiverbotsverfahren mögen trotz des Verfassungsschutzgutachtens verstummen: Das Gutachten bringt die bürgerliche Mitte unübersehbar in Erklärungsnöte.

Die unter Friedrich Merz radikalisierte CDU nutzt die AfD nicht nur als rechtspopulistische Trendsetterin für eigene Kampagnen gegen die offene Gesellschaft, sondern auch deren parlamentarische Stärke direkt als politisches Erpressungsmittel bei der Transformation Deutschlands in einen autoritären Obrigkeitsstaat. Dass rechtsextreme Straftaten einen traurigen Höhepunkt erreicht haben, wird zur politischen Randnotiz, weiter geht es mit Abschiebeverhandlungen mit den Taliban und sündhaft teuren und aus europäischer Perspektive schlicht inakzeptablen Grenzschließungen. Der rechte Mainstream tönt umso lauter, je offenkundiger wird, dass die bürgerlichen Parteien den Rassismus der AfD längst als neues deutsches Normal etablieren.

In dieser Stunde der Not unserer freiheitlichen Grundordnung fallen die bürgerlichen Medien durch eine kaum erträgliche Normalisierung rechtsextremer und inhumaner beziehungsweise rassistischer Positionen auf. Die öffentlich-rechtlichen Medien, als vierte Gewalt eigentlich dem Schutz der Demokratie und der Kontrolle der Regierung verpflichtet, interpretieren ihre Neutralität in der Berichterstattung immer expliziter als Gebot, faschistische Tendenzen als legitime Meinung zu behandeln, gerade so, als ob es nicht um Entmündigung, Entrechtung und den Ersatz der Demokratie durch Gewaltherrschaft ginge.

»Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen!« Die Holocaust-Überlebende und antifaschistische Aktivistin Esther Bejarano prägte die griffige Aufforderung zur Zivilcourage 2015 in der Fernsehsendung »Die Anstalt« angesichts des Versagens der Behörden in der Aufklärung der neonazistischen Terrorserie des NSU. Und fasste in diesen Worten zugleich ihre politische Lebenserfahrung zusammen. Der Kampf gegen den sich auf den Straßen immer aggressiver und in Diskursen selbstbewusster gebärdenden Faschismus ist mehr denn je seit dem Ende der Nazi-Terrorherrschaft zu einer Herausforderung unserer Demokratie geworden.

Die Angriffe der Union auf die Zivilgesellschaft, namentlich in der Drohung gegenüber demokratiefördernden und antifaschistischen Initiativen mit Entzug der Gemeinnützigkeit oder der Infragestellung des Verbandsklagerechts und der Informationsfreiheit, zeigen gerade, wie sehr es jetzt auf die Bürger*innen ankommt. Wer sich verlässt, ist schnell verlassen! Zwei aktuelle und sehr empfehlenswerte Neuerscheinungen geben Rat im Kampf für Freiheit und Gleichheit.

Die Gruppe »Deutschland solidarisch gestalten«, der Akteur*innen aus Wissenschaft, Kunst und dem aktivistischen Spektrum angehören, hat im Unrast-Verlag das programmatische Informations- und Ratgeberbüchlein »Was die AfD behauptet und wie wir darüber in der Gesellschaft diskutieren können« vorgelegt. In diesem Buch verbindet das Kollektiv allgemeinverständliche Analysen des Wahlprogramms der AfD mit Hintergründen über das Vorfeld des parlamentarischen Arms des deutschen Rechtsextremismus, bricht die extremistische Agenda auf reale Konsequenzen herunter, stellt Fakten dem leicht überführbaren Lügengebäude gegenüber und kontrastiert den geistig-moralischen Kern des Faschismus mit den Werten von Humanismus und Aufklärung.

Es sind Einlassungen, die als Argumentationshilfe und Ermutigung für das reale (Streit-)Gespräch mit noch erreichbaren Radikalisierten zu verstehen sind, »ein Appell an alle, die sich in ihrer Komfortzone eingerichtet haben und von dort aus mit dem Finger auf die AfD zeigen, um dann nichts weiter unternehmen zu müssen. ›Wehret den Anfängen‹ geschieht nicht aus dem Schaukelstuhl heraus«, wie es im Nachwort heißt.

Der aktuelle »Report 2025 Recht gegen rechts« beleuchtet in Aufsätzen von Politiker*innen, Verfassungsrechtler*innen und von Akteuren zivilgesellschaftlicher Initiativen Justiz, Judikative und Exekutive als Kampfplatz im Ringen um unsere demokratische Verfassung. Gewaltenteilung, unabhängige Rechtsprechung und die Gleichheit vor dem Gesetz sind die Angriffsziele von rechts.

Ex-MdB Marco Wanderwitz (CDU) erläutert unter anderem in einem Aufsatz des Sammelbandes, welche Voraussetzungen das Grundgesetz für ein Parteiverbotsverfahren vorsieht. Zugleich arbeitet er heraus, dass das Grundgesetz zwar hohe Hürden vor ein Parteiverbot setzt, aber auch, dass es gegenüber Verfassungsfeinden keine Neutralität kennt und explizit sowohl der Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat, also den wichtigsten Verfassungsorganen der Exekutive und Legislative, das Recht einräumt, einen Antrag auf Prüfung eines Parteiverbots beim unabhängig entscheidenden Bundesverfassungsgericht zu stellen.

In der Gewaltenteilung, der Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts und dem grundgesetzlichen Auftrag an die Verfassungsorgane, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen vor ihren Feinden, ist nicht nur die historische Erfahrung des deutschen Faschismus institutionalisiert. Es liegt in der Ordnung eines Parteiverbotsverfahrens selbst begründet, dass ein solches kein Teil des politischen Wettbewerbs ist. Dies zu behaupten, wie es die CDU tut, ist die Art von Propaganda, die tatsächlich der AfD nützt, untergräbt sie nämlich das Vertrauen in die demokratischen Institutionen.

Ob in den Fragen, wie unsere demokratischen Institutionen vor faschistischer Indienstnahme zu schützen wären, wie dem strukturellen Rassismus in Behörden, Rechtsprechung und -setzung begegnet werden kann, bis hin zu den politischen Angriffen auf hart erkämpfte Bürgerrechte – es zeigt sich, dass der Kampf gegen den Faschismus längst im Gange ist und wo Hebel anzusetzen wären. Zeit, den dekadenten Luxus selbstverschuldeter Unmündigkeit hinter sich zu lassen und zu wissen.

Deutschland solidarisch gestalten (Hg.):
Was die AfD behauptet und wie wir darüber in der Gesellschaft diskutieren können. Unrast, 104 S., br., 9,80 €.
Austermann/Ihßen/Kleffner u. a. (Hg.): Recht gegen rechts. Report 2025. S. Fischer, 256 S., br., 22 €.

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