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Sachsens Lehrer über dem Limit
Erhebung im Auftrag des Kultusministeriums bestätigt hohe Arbeitsbelastung
In Sachsen arbeiten 69 Prozent der in Vollzeit angestellten Lehrer während der Unterrichtswochen teils deutlich mehr, als in ihren Arbeitsverträgen festgelegt ist. Gut jeder achte Lehrer überschreitet die vereinbarte Wochenarbeitszeit von 40 Stunden um acht Stunden oder mehr. Von den in Teilzeit beschäftigten Lehrkräften arbeiten drei Viertel über dem Limit. Das ergab eine vom Kultusministerium des Freistaats in Auftrag gegebene Erhebung.
Durch die Zahlen sehen sich Kritiker eines Maßnahmenpakets von Kultusminister Conrad Clemens (CDU) bestätigt, mit dem er den Unterrichtsausfall reduzieren und das vorhandene »Lehrerarbeitsvermögen noch effizienter einsetzen« wollte. Mit Blick auf die neuen Zahlen hieß es vom Sächsischen Lehrerverband: »Das System fährt längst im roten Bereich.«
Für die Erhebung mussten knapp 3800 Lehrkräfte und fast 400 Schulleiter, die zufällig ausgewählt wurden, über ein Jahr hinweg mit einem Online-Tool alle »arbeitszeitrelevanten Tätigkeiten« erfassen. Dabei stellte sich heraus, dass Schulleiter und -leiterinnen fast durchgängig 45 Stunden pro Woche arbeiten. Sehr hoch ist auch die Arbeitsbelastung von Gymnasiallehrern sowie von Lehrkräften, die Deutsch oder MINT-Fächer unterrichten. Den Vollzeitlehrern gelingt es, die Überstunden in den Schulferien weitgehend abzubauen; bei Lehrkräften in Teilzeit und Schulleitern klappt das nicht. Christin Melcher, Landtagsabgeordnete der Grünen, forderte den Minister auf, Leitungskräfte zu entlasten und »Auswege aus der Überlastungsspirale« zu suchen.
»Lehrkräfte dürfen nicht mehr zur Selbstausbeutung gezwungen werden.«
Luise Neuhaus-Wartenberg Linksfraktion Landtag
Zu den Erkenntnissen der Erhebung gehört auch, dass sich Lehrkräfte nicht vom eigentlichen Unterricht besonders gestresst fühlen. »Die höchste subjektive Belastung entstand weniger durch didaktisch-pädagogische Kernaufgaben, sondern vor allem durch organisatorische Anforderungen, Ressourcenmangel, unklare Prozesse oder zusätzlich anfallende Aufgaben«, heißt es. Luise Neuhaus-Wartenberg, Bildungsexpertin der Landtags-Linken, forderte daher zusätzliches Personal für Schul- und Verwaltungsassistenzen sowie die IT-Infrastruktur. Die sächsischen Lehrer dürften »nicht mehr zur Selbstausbeutung gezwungen« werden.
Der Minister entschied als Konsequenz aus der Erhebung, eine eigentlich geplante verpflichtende »Vorgriffsstunde« mit Blick auf die Arbeitsbelastung nicht einzuführen. Stattdessen soll es ab 2026 Arbeitszeitkonten mit der Möglichkeit zu freiwilliger Mehrarbeit geben. Weitere konkrete Vorschläge soll ein Expertenrat erarbeiten, der sich am 4. November mit einer Auswertung der Arbeitszeiterhebung befasst.
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