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Osteuropahistoriker Karl Schlögel auf Abwegen
Der Osteuropahistoriker Karl Schlögel hat den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten
Was haben Julia Nawalnaja, Adam Kadyrow und Karl Schlögel gemeinsam? Sie alle sind mit Russland verbunden und werden zuletzt mit allerhand Preisen überhäuft, bei denen nicht klar ist, wofür eigentlich. Das gilt auch für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den Schlögel jetzt erhielt.
Dabei gäbe es in Schlögels Wirken genügend Gründe für Auszeichnungen. Der 77-Jährige war der Reformer der bundesdeutschen Osteuropawissenschaft, machte aus der Feindwissenschaft eine, die verstehen will. Als Student in Moskau in den 1980ern und später als Professor für Osteuropäische Geschichte in Konstanz und Frankfurt (Oder) verschob der frühere Maoist mit seinen Schriften für Bundesdeutsche die Grenzen des Kontinents. Europa endete nicht mehr in Braunschweig, sondern in Baschkortostan. Und dazwischen lag ein Raum, den es (wieder) zu entdecken galt.
Diese Zeiten sind vorbei. Seit seiner Emeritierung 2013 fand in Kiew der Euromaidan statt, annektierte Moskau die Krim und marschierte später komplett in die Ukraine ein. »Alles, was man im Laufe eines Lebens zusammengetragen hat, scheint infrage gestellt, entwertet« zu sein, sagte der Historiker bei seiner Rede in Frankfurt am Main. Als Folge stimmte Schlögel immer lauter in den rechten Kanon jener Menschen in Deutschland ein, die die Mauer in den Köpfen wieder hochziehen. Schlögel wurde auf einmal massentauglich, die einstige Koryphäe der Osteuropawissenschaft zu einem Teil des konservativen Mainstreams in Deutschland. Dieser Friedenspreis ist keine Anerkennung für die Leistungen Schlögels, sondern ein Danke, dass er die rechtskonservative Wende in Deutschland mitträgt.
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