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Christian Wück und die DFB-Frauen: »Wir müssen uns verbessern«

Der Bundestrainer will von seinen Fußballerinnen gegen Frankreich spielerische Fortschritte ssehen

  • Frank Hellmann, Düsseldorf
  • Lesedauer: 5 Min.
Klara Bühl (r.) und das DFB-Team wollen gegen die Französinnen den Erfolg von der EM wiederholen.
Klara Bühl (r.) und das DFB-Team wollen gegen die Französinnen den Erfolg von der EM wiederholen.

Es ist unvermeidlich, den Bogen von Düsseldorf nach Basel zu schlagen, zumal die Städte ohnehin über den Rhein verbunden sind. Wenn sich Deutschlands Fußballerinnen im ersten Halbfinale der Nations League an diesem Freitag mit den Französinnen messen, wirkt das dramatische Viertelfinale der EM immer noch nach. Wie sich die DFB-Frauen am 19. Juli im Baseler St. Jakob-Park nach Roter Karte und Rückstand in Unterzahl ins Elfmeterschießen kämpften und eine besondere Opferbereitschaft offenbarten, fesselte auch mehr als zehn Millionen Fernsehzuschauer.

Grund genug, dass Oliver Wurm in die Magazin-Reihe »Mehr als ein Spiel« erstmals eine Partie aus dem Fußball der Frauen aufgenommen hat. Auf mehr als 100 Seiten wird natürlich die spektakuläre Rettungstat von Torfrau Ann-Katrin Berger aus neuen Perspektiven beleuchtet. Glanzvolle Fotos sind mit dem Originalkommentar der ZDF-Reporterin Claudia Neumann unterlegt, die in der 103. Minute schrie: »Was für ein Teufelsweib heute!« Die »New York Times« beschrieb mit ein bisschen mehr Abstand den Flug ihres Lebens so: »Ihr linker Arm, ausgefahren in eine andere Dimension. Wie eine exquisite Zeitmaschine deutscher Ingenieurskunst.«

Die für zehn Euro erhältliche Ausgabe liefert spannende Hintergründe und nette Anekdoten. Eine davon: Spielerberater Jörg Neblung fing den von Deutschlands Torhüterin in die Zuschauerränge geworfenen Handschuh, der bald für einen guten Zweck versteigert wird. »Dieses Spiel lag viel näher am Urschleim des Fußballs und den deutschen Tugenden, als es der Profifußball der Männer seit Jahren ist«, hält die Journalistin Lena Cassel in dem Heft fest.

All das war vielleicht auch ein Grund, warum schon frühzeitig mehr als 35 000 Tickets für das Halbfinalhinspiel in Düsseldorf verkauft wurden. Das Rückspiel steigt am kommenden Dienstag in Caen. Dass ausgerechnet die noch über die Fortsetzung ihrer DFB-Karriere grübelnde Berger wegen Knieschmerzen für die ersten Auftritte nach der EM abgesagt hat, bestätigt Bundestrainer Christian Wück in seiner Haltung, ausschließlich auf die Gegenwart zu schauen: »Das wird ein komplett neues Spiel. Beide Teams treten mit teilweise neuen Spielerinnen an. Wir werden nicht zu sehr an das EM-Viertelfinale denken.« Wenn der 52-Jährige da mal nicht irrt.

Stürmerin Klara Bühl hat jedenfalls gleich nach dem Eintreffen in Düsseldorf ausgerichtet: »Das Spiel bei der EM weckt extrem positive Erinnerungen. Klar schaut man da noch mal hin. Für uns gilt, diese Emotionen im Gedächtnis wiederzufinden. Das kann man sehr positiv nutzen.« Und für die 24-Jährige vom FC Bayern steht auch fest: »Die EM hat gezeigt, was wir für ein Potenzial haben. Bei der Mentalität haben wir einen riesigen Schritt gemacht.« Doch genau an dieser Stelle setzt Wück bei seiner EM-Analyse ein. Dauerhaft wird Mentalität nicht immer Qualität schlagen. »Uns ist klar, dass wir mit einer gehörigen Portion Glück gewonnen haben.« Zumal die Französinnen das Trauma mit sich herumtragen, fast nie über das Viertelfinale eines großen Turniers hinaus zu kommen.

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Der Bundestrainer sieht vor allem im spielerischen Bereich viel Luft nach oben. Man müsse ja kein »Spanien 2.0« werden, erklärt Wück, aber könne sich doch auch einige der Selbstverständlichkeiten zulegen, mit denen der FC Barcelona den deutschen Meister FC Bayern in der Champions League vorgeführt hat: »Wir müssen uns mit Ball verbessern, im ersten Kontakt, im Passspiel.« Wichtig dafür ist Spielpraxis. Vier seiner EM-Spielerinnen, darunter die Entdeckungen Franziska Kett und Carlotta Wamser hatten zuvor unter 50 Prozent Einsatzzeit in der Bundesliga. Bei dem offensichtlichen Talent eigentlich ein Unding. Derzeit sitzen Leistungsträgerinnen wie Jule Brand nach dem Wechsel nach Lyon und Sjoeke Nüsken beim FC Chelsea häufig auf der Bank. Beide sind bei der Systemumstellung im DFB-Team auf ein 4-3-3 gesetzt.

Auf eine Spielmacherin soll künftig verzichtet werden. Die nachnominierte Münchnerin Linda Dallmann und die formschwache Frankfurterin Laura Freigang erwiesen sich als Schwachpunkte in der Schweiz – beide brachten aus dem Zehner-Raum keinen einzigen Pass in den Strafraum. Dazu waren die DFB-Frauen als das unerfahrenste EM-Team nicht effektiv genug.

Eine Menge Arbeit für Wück, der glaubt, dass die zwei Spiele gegen Frankreich »uns mit Sicherheit genauso fordern werden wie das Viertelfinale bei der EM«. Sein Vertrag läuft übrigens nur bis Ende 2026. Da der Bundestrainer aber längst in Gedanken bei der im nächsten Jahr beginnenden Qualifikation für die WM in Brasilien ist, wo er dann 2027 mit den DFB-Frauen »ein gehöriges Wort mitreden« will, seine Beharrlichkeit für Verbesserungen geschätzt wird und sein Verhältnis zu Sportdirektorin Nia Künzer als vertrauensvoll gilt, könnte bereits beim DFB-Bundestag Anfang November die Vertragsverlängerung verkündet werden. Der Einzug in das für Ende November terminierte Finale der Nations League wäre ein weiteres Argument.

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