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Berlin-Kreuzberg: Schlappe für Urbane Mitte
Investor verliert erneut vor Gericht – Bürgerinitiative darf weiter Kritik üben
Der Investor des Bauprojekts Urbane Mitte am Gleisdreieck überzieht Kritikerinnen und Kritiker der geplanten Hochhäuser weiterhin mit juristischen Angriffen – bislang ohne Erfolg. Am Freitag wies das Landgericht Berlin erneut eine Klage der Urbane Mitte Besitz S.à.r.l. ab, dieses Mal gegen Matthias Bauer als Verantwortlichen für die Webseite gleisdreieck-blog.de.
Die »Urbane Mitte« ist eines der kontroversesten Bauvorhaben der Hauptstadt. Ein Investor will am Gleisdreieckpark in Kreuzberg insgesamt sieben Hochhäuser errichten, die den Plänen nach bis zu 90 Meter in den Himmel ragen sollen. Auf der Geschossfläche von 119 000 Quadratmetern sollen vor allem Büros unterkommen. Zuletzt entzog Bausenator Christian Gaebler (SPD) dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die baurechtliche Verantwortung für das Projekt.
In dem Zivilverfahren wollte der Luxemburger Fonds Bauer bestimmte Aussagen untersagen lassen – unter anderem zur Missachtung des Denkmalschutzes, zu mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen für die Bürotürme sowie die Aussage, dass der Investor durch Angabe eines niedrigen Verkehrswertes Gebühren gedrückt habe. Doch die Richterin sah keine Grundlage für ein Verbot: Sämtliche Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Bauer zeigte sich nach der Urteilsverkündung erleichtert: »Das Gericht hat klar erkannt, dass unsere Einschätzungen auf gründlicher Auseinandersetzung mit den Fakten beruhen. Die Klage war aus unserer Sicht eine klassische SLAPP-Klage – also der Versuch, uns einzuschüchtern, mit Kosten zu belasten und unsere Arbeit zu blockieren.«
Die Klage gegen Bauer ist nicht die einzige. Auch gegen Norbert Rheinländer, den Vorsitzenden der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck, läuft ein Verfahren. Eine erste Verhandlung findet am 9. Dezember statt. Und seit zwei Jahren schleppt sich die Klage gegen den Juristen Jörg Beckmann hin, der im Auftrag des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg ein Gutachten verfasst hatte. Darin kam Beckmann zu dem Schluss, dass der Investor keinen Anspruch auf eine Baugenehmigung habe und damit auch die horrenden Entschädigungssummen, die der Investor immer wieder ins Spiel brachte, hinfällig seien. Obwohl die Gerichte schon dreimal zugunsten des Anwalts entschieden haben, geht der Investor immer wieder in Berufung. Ähnliches droht auch Matthias Bauer, nachdem der Anwalt des Investors trotz des eindeutigen Urteils bereits Berufung angekündigt hat.
Nach Einschätzung der Bürgerinitiative ist der Zeitpunkt der Klagen kein Zufall. Der Bebauungsplan für das südliche Baufeld der Urbanen Mitte steht im Abgeordnetenhaus zur Abstimmung an. Grüne und Linke lehnen das Projekt ab, damit sind die Stimmen der SPD-Fraktion entscheidend. »Unsere intensive Aufklärungsarbeit zeigt Wirkung«, sagt Bauer. »Die Zustimmung in der SPD, die vor einem Jahr noch eindeutig war, beginnt zu bröckeln. Ein Indiz ist, dass die geplante Abstimmung im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, die für den 29. September angesetzt war, abgesagt wurde.«
Eine SLAPP-Klage (Strategic Lawsuit Against Public Participation) ist eine strategische Klage, mit der mächtige Akteure – etwa Unternehmen, Politiker oder Organisationen – Kritiker einschüchtern oder zum Schweigen bringen wollen. Ziel ist weniger, den Prozess zu gewinnen, sondern durch hohen Kosten- und Zeitaufwand öffentliche Beteiligung, Meinungsfreiheit oder journalistische Recherchen zu unterdrücken.
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