Für junge Mütter: Senat streicht weiteres soziales Projekt

Dem Projekt Welcome Baby Bags droht das Aus, weil im Haushaltsentwurf 2026/27 die Finanzierung fehlt

  • Leonie Hertig
  • Lesedauer: 5 Min.
Voller Spenden und ehrenamtlicher Arbeit: ein »Welcome Baby Bag«
Voller Spenden und ehrenamtlicher Arbeit: ein »Welcome Baby Bag«

Jede Woche werden bei Welcome Baby Bags 20 Taschen mit einer Erstausstattung für Familien mit Neugeborenen in Notsituationen von Ehrenamtlichen gepackt. »›Welcome Baby Bags‹ sagt zu Frauen in Notsituationen: ›Hey, wir lassen dich nicht im Stich‹«, sagt Amy Ruttowski, eine der zwei Angestellten, zu »nd«. Doch die Förderung des Berliner Projekts soll ab 2026 ersatzlos gestrichen werden.

Welcome Baby Bags wurde seit 2016 erst von der Senatsverwaltung für Gleichstellung, ab 2020 als Teil des Fördertopfes »Babylotsen« von der Senatsverwaltung für Gesundheit gefördert. Träger des Projekts ist der Verein Evas Arche. Mit einer jährlichen Förderung von etwa 150 000 Euro finanziert Welcome Baby Bags zwei Teilzeitstellen und Raumkosten. Daneben ermöglichen Sachspenden wie Babykleidung, Hygieneartikel und Decken sowie das Engagement von Ehrenamtlichen die Arbeit des Projekts.

Die Frauen, die die Taschen erhalten, sind in akuten Notlagen und werden von Babylotsen in Krankenhäusern, von Hebammen oder in Beratungsstellen angesprochen. Dass Welcome Baby Bags Mütter nicht selbst aktiv anspricht oder Eltern die Taschen direkt beantragen können, hat einen Grund. »Wir wollen nicht eine weitere Stelle sein, die das macht, was andere schon tun. Wir wollen, dass Frauen in bereits bestehende Systeme eingegliedert werden«, so Ruttowski. Meist handle es sich um eine Verknüpfung von schwierigen Notlagen, in denen sich die Mütter befinden. »Die Mütter können von physischen oder psychischen Erkrankungen betroffen sein, sich in familiären oder wirtschaftlichen Krisensituationen befinden, von Obdachlosigkeit bedroht sein oder Schulden haben«, sagt Ruttkowski.

»Welcome Baby Bags sagt zu Frauen in Notsituationen: ›Hey, wir lassen dich nicht im Stich.‹«

Amy Ruttowski Welcome Baby Bags

Daher beinhalten die Taschen neben Babykleidung, Wickelunterlagen, Stilleinlagen, Schlafsack und Hygieneartikeln auch mehrsprachiges Informationsmaterial über die Regelangebote im gesundheitlichen Versorgungssystem Berlins. Diese Erstausstattungstasche hat dadurch eine wichtige Brückenfunktion hin zu anderen Angeboten im Hilfesystem.

»Der Inhalt der ›Welcome Baby Bags‹ hat einen Wert von circa 280 Euro«, sagt Ruttkowski. Das Projekt selbst müsse nicht mehr als 25 Euro für Produkte ausgeben, der Rest werde durch Spenden ermöglicht. Dafür ist unter anderem Ruttkowski verantwortlich. Sie koordiniert Anfragen und Spenden und kontaktiert Unternehmen. »Wir haben Großspender und Unternehmen, die uns relativ regelmäßig auf Anfrage beliefern«, erzählt Ruttkowski. Dazu gehören Pflegeprodukte von Weleda, Windeln von Lillydoo, Flaschen von Lansinoh und Babykleidung von Sense Organic.

Im Jahr 2024 war Welcome Baby Bags in der Lage, 1300 Taschen an Familien zu verteilen. Doch da die Förderung für das Projekt im Jahr 2025 um 40 Prozent gekürzt wurde, konnten bislang in diesem Jahr nur etwa 870 Taschen verteilt werden. Wegen der Kürzungen musste eine Teilzeitstelle gestrichen werden und die Anzahl an pro Woche gepackten Taschen von 25 auf 20 reduziert werden. Zugleich nimmt Ruttkowski einen Anstieg des Bedarfs wahr: Bereits jetzt könne Welcome Baby Bags nicht alle Anfragen bedienen.

Die Arbeit des Projekts wäre durch Ruttowski und ihre Kollegin alleine nicht zu stemmen. Ein Team von 20 Ehrenamtlichen hilft regelmäßig, Spenden zu sortieren und die Taschen zu packen. Weitere Engagierte holen Spenden ab oder liefern die fertig gepackten Bags zu Krankenhäusern oder Beratungsstellen. Andrere helfen von zu Hause aus: Sie waschen, färben und reparieren Babykleidung, bevor sie in die Taschen gepackt wird. »Durch die Hilfe von Teams aus anderen Projekten haben wir noch mehr Unterstützung«, so Ruttowski. Dazu gehörten private Strickgruppen, Frauenzentren und die Organisation Mini Decki, die Decken für Geflüchtete näht und verteilt. Neben regelmäßig engagierten Menschen unterstützen Firmen Welcome Baby Bags an sogenannten Firmenpacktagen, an denen sie einen Arbeitstag spenden.

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Eigentlich hatte Welcome Baby Bag vor 2025 geplant, sich bundesweit auszubreiten. Es wurden bereits erste Schritte unternommen, um ein entsprechendes Netzwerk aufzubauen. Ziel war, in Organisationen, Initiativen und Privatpersonen kollegialen Austausch zu fördern, Fortbildungen zu ermöglichen und Familien in Notsituationen auch politisch zu vertreten. Doch nun ist die Zukunft von Welcome Baby Bags unsicher, im aktuellen Haushaltsentwurf des Senats für die Jahre 2026 und 2027 fehlen die Mittel für das Projekt. »Wir sind jetzt in einer absoluten Schwebesituation«, sagt Ruttowski. »Der Träger versucht, es aufzufangen, aber wie lange es nach Dezember weitergeht, dazu kann ich keine fundierte Aussage treffen.« Auf der Website bittet Welcome Baby Bags Besucher*innen darum, Briefe an Abgeordnete zu schreiben, um die Kürzung im Hauptausschuss am 12. November zu verhindern.

Im Gesundheitsausschuss begründete die CDU die Kürzungen damit, dass das Projekt erst seit 2020 existiere und noch nicht Jahrzehnte etabliert sei. Dabei fördert der Berliner Senat bereits seit 2016 Welcome Baby Bags. »Der größte Anteil des Tascheninhaltes ist ohnehin aus Spenden möglich. Man wird sich sicherlich auch noch mal unterhalten müssen, wie man das weiter fördern kann«, sagte die CDU-Abgeordnete Claudia Wein im Gesundheitsausschuss.

Catherina Pieroth, Sprecherin für Gesundheitspolitik der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagte zu »nd«, dass ein guter Start ins Leben nicht von Almosen abhängen dürfe. »Die SPD-CDU-Koalition lässt die Familien alleine. Wir reden über 150 000 Euro, die ohne Probleme finanziert werden könnten, aber für die Babys einen großen Unterschied beim guten Start ins Leben machen. Das ist ein weiteres Beispiel für eine Politik der sozialen Kälte, die uns in den kommenden Jahren auf die Füße fallen wird, denn jedes Baby, jede Familie hat es verdient, vom Land Berlin unterstützt zu werden«, so Pieroth.

Zurzeit geht der Alltag bei Welcome Baby Bags noch weiter. Es werden weiterhin Bestellungen aufgenommen und Taschen gepackt. Doch um die Spenden, die die Taschen füllen, zu organisieren, brauche es eine verlässliche Finanzierung, sagt Ruttowski. »Es ist das Mindeste, die Personalkosten zu finanzieren, wenn wir einen Job übernehmen, der von der Gesellschaft geleistet werden sollte.«

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