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- Geflügelpest in Deutschland
Töten ist bei der Vogelgrippe billiger als impfen
Steffen Schmidt klärt über die Ausbreitung des Virus in Deutschland auf
Zurzeit grassiert die Vogelgrippe in Deutschland. Warum sind vor allem Kraniche betroffen?
Betroffen sind besonders Zugvögel. Nicht nur Kraniche, allerdings sind die hierzulande erstmals in diesem Umfang betroffen. Da es sich bei Kranichen um große Tiere handelt, fallen die Tierleichen besonders auf. Andere Vögel sterben ebenfalls – sind aber nicht so sichtbar.
Wo kommt das Virus eigentlich her?
Der Ursprung dieses Virusstammes liegt etwa 20 Jahre zurück, als die Variante erstmals in Südostasien auftauchte. Anschließend hat sie sich über die ganze Welt ausgebreitet.
Wie überträgt sich das Virus?
Die Übertragung erfolgt prinzipiell wie bei anderen Grippeviren über die Atemwege sowie den Nahrungstrakt. Vogel-, Schweine- und Menschengrippe basieren im Prinzip auf demselben Virustyp, unterscheiden sich aber in ihren Oberflächenstrukturen. Diese Unterschiede bestimmen, welche Spezies das Virus infizieren kann und wie gut es sich innerhalb dieser Spezies verbreitet.
Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere. Christian Klemm sprach mit ihm über die Vogelgrippe.
Kann sich die Vogelgrippe auf den Menschen übertragen?
Bei sachgemäßem Schutz, etwa durch Einweghandschuhe, Einweganzüge und FFP3-Masken ist eine Infektion von Menschen mit dem aktuellen Virusstamm eher selten. Das Risiko haben ohnehin nur Menschen, die die Wildtierkadaver entsorgen oder in betroffenen Geflügelbetrieben arbeiten.
Bisher wurden laut Berichten in Deutschland bereits 500 000 Tiere in der Geflügelhaltung getötet. In den USA, wo im vergangenen Winter die Vogelgrippe gewütet hat, waren es 19 Millionen. Warum impft man nicht?
Der verfügbare Impfstoff verhindert zwar eine Erkrankung der geimpften Tiere, aber ähnlich wie bei den bekannten Corona-Impfstoffen verhindert er keine Infektion und keine weitere Ansteckung. Die geimpften Vögel können das Virus also weiterhin verbreiten. Dies erfordert zusätzlich zur Impfung regelmäßige tierärztliche Kontrollen. Und die sind teuer. Sprich: Es ist billiger, die Tiere zu töten. Zumal die Tötung oft vorsorglich erfolgt, um eine rasche Ausbreitung auf andere Höfe zu verhindern.
Welche Rolle spielt die Massentierhaltung?
Das Problem wird durch die geringe genetische Vielfalt in der Massentierhaltung verschärft. Bis zu 90 Prozent aller Legehennen weltweit gehören nur wenigen Rassen an, die oft aus demselben Zuchtbetrieb stammen. Ist ein Virusstamm gut an ein Tier dieser Rasse angepasst, verbreitet er sich extrem schnell – vor allem da, wo viele Tiere sind.
Was ist mit meiner Weihnachtsgans in diesem Jahr? Oder mit deinem morgendlichen Spiegelei? Müssen wir dafür tief in die Tasche greifen?
Die Vogelgrippe wird voraussichtlich zu einer zeitweiligen Verknappung von Geflügel führen, vermutlich auch bei Gänsen. Und du weißt ja, wie das im real existierenden Kapitalismus ist: Wenn ein Produkt auf dem Markt knapp wird, es aber viele Menschen kaufen wollen, dann schießen die Preise in die Höhe. Es würde mich wundern, wenn das dieses Mal anders wäre. Aber ich esse eh kein Gänsefleisch.
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