COP30: Klimagipfel im Regenwald

200 Staaten beraten bei UN-Konferenz über mangelhafte CO2-Minderung, Finanzfragen und Anpassungsziele

Bei der Klimakonferenz wird sich vieles um den verbliebenen Amazonasregenwald drehen.
Bei der Klimakonferenz wird sich vieles um den verbliebenen Amazonasregenwald drehen.

Es herrscht Aufbruchstimmung in der Klima-Bubble. Diplomat*innen weltweit schütteln sich den Staub von den Schuhen, Lobbyist*innen packen ihre Hochglanzfolien in die Aktentaschen und Klimaaktivist*innen ihre Banner ein – am Montag startet die 30. Weltklimawandelkonferenz, kurz COP 30, und bereits an diesem Donnerstag der »Climate Leaders Summit« mit Reden hochrangiger Politiker*innen.

Diesmal lädt Brasilien die Vertreter*innen der knapp 200 Mitgliedsländer der UN-Klimakonvention nach Belém ein. Die Millionenstadt liegt am Rande des Amazonasbeckens, des größten tropischen Regenwalds der Erde. Nicht nur der Austragungsort ist symbolträchtig. Es ist auch das zehnjährige Jubiläum des Pariser Klimaabkommens. In der französischen Hauptstadt hatte sich die Weltgemeinschaft 2015 verpflichtet, den Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts auf möglichst 1,5 Grad, auf jeden Fall aber auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Die erste im Paris-Abkommen festgeschriebene, alle fünf Jahre stattfindende Bilanzierung der nationalen Klimapläne kam 2023 zu dem Urteil: Die Welt ist nicht, aber auch gar nicht auf Paris-Kurs. Laut dem letzten Bericht des Weltklimarats IPCC müssen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 43 Prozent und bis 2035 um 60 Prozent gegenüber 2019 fallen. Die alte Generation der »Nationally Determined Contributions« (NDCs) kam bis 2030 gerade mal auf eine Senkung um 2,6 Prozent.

Daher waren alle Vertragsstaaten angehalten, bis 2025 neue, ehrgeizigere NDCs einzureichen. Als die erste Frist im Februar ablief, waren sagenhafte zwölf von knapp 200 Ländern dem nachgekommen. Mittlerweile sind 64 Klimapläne eingetrudelt, aber zahlreiche Länder, darunter große Emittenten wie die EU, China und Indien, fehlen noch. Die USA haben kurz vor der Amtsübernahme Donald Trumps noch einen aktualisierten Klimaplan verabschiedet. Angesichts des wenig später eingeleiteten erneuten Austritts aus dem Paris-Abkommen ist fraglich, ob das mehr ist als Druckerschwärze auf Papier. Möglicherweise werden wichtige Staaten den »Climate Leaders Summit« nutzen, um ihre neuen Klimapläne vorzustellen.

Daher wird sich der Gipfel im Regenwald daran messen lassen müssen, wie die Weltgemeinschaft auf ihr eigenes, erwartbares Scheitern reagiert. In dieser Frage gehen die Vorstellungen der Länder jedoch deutlich auseinander, wie der COP‑30-Präsident, der langjährige brasilianische Diplomat André Corrêa do Lago, feststellte. Soll eine scharfe politische Abschlusserklärung auf die erwartete Lücke Bezug nehmen? Soll es gar einen konkreten Aktionsplan geben, möglicherweise parallel zu den ordentlichen Verhandlungen, um die Umsetzung zu beschleunigen? Zumindest für ersteres sprechen sich einige Länder aus, darunter viele Industrienationen und auch die kleinen Inselstaaten.

Einige der großen Schwellenländer, etwa China, Indien und Saudi-Arabien, wollen das Thema auf dem Gipfel lieber aussparen und auf die nächste reguläre globale Bestandsaufnahme 2028 warten. »Das wäre für mein Land und Millionen von Menschen auf der ganzen Welt viel zu spät«, entgegnete die Klimagesandte der Marshallinseln, Tina Stege. Bislang sind die NDCs aber in der Tat kein offizieller Tagesordnungspunkt des Gipfels.

Dennoch wird die Ambitions- und Umsetzungslücke den Diplomat*innen einige zähe Verhandlungstage bescheren. Das liegt nicht zuletzt am eng damit verwobenen, traditionell vehement umkämpften Thema der Klimafinanzierung. Einige Entwicklungs- und Schwellenländer haben ihre schwachen NDCs direkt mit unzureichenden Hilfen aus den Industrienationen begründet.

Auf dem letztjährigen Gipfel in Aserbaidschan lautete nämlich der für viele Entwicklungsländer enttäuschende Beschluss: Die Industrienationen heben die Finanzhilfen bis 2035 von aktuell 100 Milliarden auf 300 Milliarden US-Dollar an. Dabei erkennt der Beschluss immerhin einen tatsächlichen Bedarf von mindestens 1,3 Billionen Dollar an. Selbst diese Summe wäre laut diversen Studien zu gering, aber dennoch ein Quantensprung, gemessen an allen bisherigen Zusagen.

Die Präsidentschaften der COP 29 und COP 30 wurden damit beauftragt, Wege zum Schließen der Finanzierungslücke zu erarbeiten. In den vergangenen Monaten wurde hinter verschlossenen Türen fleißig verhandelt – wie erfolgreich, das wird der Gipfel in Brasilien zeigen. Dabei wird auch die strittige Frage wieder auf den Tisch kommen, welchen Beitrag reiche Schwellenländer wie Saudi-Arabien, Südkorea oder China künftig leisten sollen.

Vorsichtig optimistisch zeigte sich COP-Präsident Corrêa do Lago bei Vorgesprächen in Brasilia zu einem weiteren Verhandlungsstrang, der Klimaanpassung. Dort könnte es nach Jahren des weitgehenden Stillstands endlich vorangehen. Konkret hieße das: Die Länder einigen sich auf eine Berechnungsmethode, um ein Anpassungsziel festzulegen, und definieren darauf aufbauend Unterstützungsverpflichtungen zugunsten des globalen Südens.

Die brasilianische Delegation wird zudem ihr Leuchtturmprojekt, die Tropical Forest Forever Facility (TFFF), ins Leben rufen. Der Fonds soll 125 Milliarden US-Dollar an öffentlichen, vor allem aber privaten Geldern mobilisieren mit dem Ziel, Länder für den Schutz tropischer Regenwälder langfristig zu belohnen. Zudem werden zahllose weitere Themen die Verhandler*innen in Belém beschäftigen, darunter die Regeln für den internationalen Emissionshandel und neue Programme für eine gerechte Klimatransformation.

Nachdem die COPs drei Jahre in Folge von Staaten im Herzen der fossilen Energiewirtschaft – Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate und Aserbaidschan – ausgerichtet wurden, wo zudem Proteste kaum möglich waren, ruhen nun viele Hoffnungen auf Gastgeber Brasilien. Doch diese haben in den vergangenen Monaten spürbare Dellen bekommen. Da ist vor allem das Logistik-Debakel: bei erwarteten 50 000 Konferenzteilnehmer*innen und einer regulären Hotelkapazität von nur etwa 18 000 Betten in Belém. Trotz angemieteter Kreuzfahrtschiffe und umfunktionierter »Love Hotels«, die ihre Zimmer nun zu horrenden Preisen an COP-Gäste vermieten, ist der Mangel nicht beseitigt. Einige kleinere Länder haben bereits angekündigt, wegen der hohen Kosten und der schwierigen Unterbringung gar keine Delegation zu entsenden. Zahlreiche Spendenkampagnen wurden in den vergangenen Wochen gestartet, um Klimaaktivist*innen aus dem globalen Süden und Vertreter*innen indigener Gruppen die Teilnahme zu ermöglichen. Doch Umweltverbände ziehen bereits eine bittere Bilanz: Aus der erhofften »People’s COP« sei eine »Paywall-COP« geworden.

Allen Dellen zum Trotz: Die Hoffnung vieler Delegationen und NGOs ist noch nicht ganz verflogen. André Corrêa do Lago hat mehrfach betont, die Abkehr von fossilen Brennstoffen zu einer Priorität des Gipfels machen zu wollen. Was wie eine Selbstverständlichkeit für eine Klimakonferenz klingt, wäre im Vergleich zu den letzten drei COP-Präsidentschaften ein echter Fortschritt.

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