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Jänschwalde: Kohlekraftwerk soll kein Museum sein
Lausitzer Energie AG, Landkreis und Landeskonservator unterschreiben Vereinbarung zu Denkmalen
Wenn Brandenburgs Landeskonservator Thomas Drachenberg dereinst mit seiner Enkelin im Lausitzer Revier steht und sie ihren Großvater fragt, wo hier Kohle gefördert, Briketts gepresst und Strom erzeugt worden sein, dann will er ihr die Relikte dieser Zeit zeigen. Das sagt Drachenberg am Montag in der Potsdamer Staatskanzlei. In den Jahren 2021 bis 2023 sind 2071 Objekte erfasst worden. 130 davon kommen infrage, unter Denkmalschutz gestellt zu werden. Darunter befinden sich drei sehr große Anlagen: das Kraftwerk Jänschwalde, die Brikettfabrik Mitte und der Eimerkettenbagger Es 3750.
Was sie auszeichnet? Jänschwalde ist das einzige nahezu vollständig erhaltene Braunkohlekraftwerk der DDR. 1976 bis 1989 errichtet, soll es 2028 abgeschaltet werden. Die von 1956 bis 1964 gebaute Brikettfabrik Mitte in Schwarze Pumpe ist die jüngste und die einzige noch vorhandene Brikettfabrik aus der DDR und ein erstaunlich repräsentatives Stück Architektur. Schließlich der Eimerkettenbagger Es 3750. Er wurde 1990 im volkseigenen Betrieb Schwermaschinenbau »Georgi Dimitroff« in Magdeburg eigens konstruiert und montiert für den Tagebau Klettwitz-Nord. Dort ging der Bagger 1991 in den Probebetrieb. Es war die modernste Entwicklung auf diesem Gebiet. Dennoch war bereits nach 13 Monaten Schluss. Denn wegen der veränderten Bedingungen nach der Wende wurde dieser Tagebau stillgelegt. Die zugehörige Förderbrücke F60 wurde nach Lichterfelde-Schacksdorf geschafft, der Eimerkettenbagger in den Tagebau Welzow-Süd, wo er bis heute in Benutzung ist.
Ob die genannten 130 Objekte alle dauerhaft erhalten werden können, vermag Konservator Drachenberg am Montag nicht zu sagen. Er wisse das nicht einmal von den Tausenden Objekten, die jetzt schon in den Denkmallisten verzeichnet sind, gesteht er.
Die Nachricht, das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde solle zum Industriedenkmal erklärt werden, sorgte bei den Beschäftigten der Lausitzer Energie AG (Leag) und in der Bevölkerung für erhebliche Verunsicherung. Landrat Harald Altekrüger (CDU) ist davon genauso überrascht worden wie Leag-Vorstand Adi Roesch. Die Absicht irritierte Altekrüger. Bei einem noch aktiven Industriebetrieb hätte er das nicht für möglich gehalten. Der Fragen gab es viele: Kann die Belegschaft bis 2028 ungehindert weiterarbeiten? Werden nicht Investoren abspringen, die dem wichtigen Industriestandort eine Zukunft nach der Kohle sichern sollen?
Leag, Landesdenkmalamt und Landkreis Spree-Neiße wollten sich bis Weihnachten auf einen Weg verständigen, Probleme aus der Welt zu schaffen. Bereits am Montag wird das Ziel vorfristig erreicht. Drachenberg, Roesch und Altekrüger unterschreiben in der Potsdamer Staatskanzlei öffentlich eine dreiseitige Erklärung. Deren Text wird zwar nicht veröffentlicht.
Doch Thomas Drachenberg verrät, es stehe nicht drin: »Das bleibt stehen, das muss weg!« Es werde aber festgelegt, wie man sich darüber verständigen wolle. Damit werde kein Gesetz ausgehebelt, beteuert er. Drachenberg erklärt auch, dass es um »knallharte wirtschaftliche Interessen« gehe. Für die Leag ist nach eigenem Bekunden wichtig, jeweils schnell Klarheit zu bekommen, was etwa mit einem Kühlturm wird, falls ein Investor Interesse an einer Fläche auf dem Kraftwerksgelände zeigt. Das Vorhaben, einen 1000-Megawatt-Batteriespeicher zu errichten, ist bereits verkündet. Darüber hinaus kann sich Vorstandschef Roesch einiges vorstellen, ein Datenzentrum etwa. Verblüffend beiläufig erwähnt er auch eine militärische Nutzung.
Schuldige, die Missverständnisse verursacht und damit im Revier Ängste ausgelöst haben, möchte Kulturministerin Manja Schüle (SPD) nicht suchen. Sie versichert: »Die Perspektiven werden nicht eingeschränkt und Arbeitsplätze nicht gefährdet – im Gegenteil!« Landeskonservator Drachenberg fühle sich nicht nur für das kulturelle Erbe verantwortlich. Ihm sei auch an der wirtschaftlichen Entwicklung der Region gelegen.
»Mir ist wichtig, dass auch nach dem Ende des Braunkohleabbaus die wichtigsten und repräsentativsten Zeugnisse dieser Epoche erhalten bleiben«, sagt Schüle. »Das ist auch ein Ausdruck der Wertschätzung und, wenn man das etwas pathetisch sagen darf, der Dankbarkeit gegenüber den Menschen, die in der Lausitz dafür geschuftet haben, dass Deutschland Energie hat.«
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