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Berlin: Bundesverfassungsgericht moniert Beamtenbesoldung
Berlin besoldete seine Beamten jahrelang zu schlecht
Beamte wurden in Berlin jahrelang zu schlecht bezahlt. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch entschieden. Das Berliner Besoldungsrecht sei im Zeitraum 2008 bis 2020 verfassungswidrig. Rund 95 Prozent der geprüften Besoldungsgruppen seien in diesem Zeitraum rechtswidrig gewesen, urteilte das Gericht. Dem Land bürdeten die Karlsruher Richter auf, bis zum Frühjahr 2027 eine Neuregelung zu schaffen.
»Für den überwiegenden Teil dieser Vorschriften ist bereits festzustellen, dass sie die verfassungsrechtlich gebotene Mindestbesoldung nicht sicherstellen«, heißt es im Urteil. Die Besoldung habe damit die Schwelle zur Prekarität überschritten. Weil zwischen den verschiedenen Besoldungsgruppen ein Abstandsgebot gilt – sich die Besoldung also je nach Aufgabenbereich signifikant unterscheiden muss –, führt die schlechte Bezahlung bei den niedrigen Besoldungsgruppen dazu, dass auch die oberen Besoldungsgruppen rechtswidrig sind. »Angesichts der bis weit in den gehobenen Dienst reichenden Unterschreitung der Mindestbesoldung ist das Besoldungsgefüge nachhaltig erschüttert«, heißt es in dem Beschluss.
Unklar ist noch, in welcher Höhe der Senat Nachzahlungen leisten muss. »Angesichts der Besonderheiten des Beamtenverhältnisses ist eine rückwirkende Behebung nur hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren und hinsichtlich derjenigen Beamten erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist«, heißt es in dem Urteil. Dabei sei nicht entscheidend, ob aktuell noch Widerspruch- oder Klageverfahren liefen, sondern ob die Beamten zum Zeitpunkt der Besoldung dieser widersprochen hätten.
Im Umkehrschluss heißt das auch: Wer sich seinerzeit nicht juristisch gegen seine Bezüge gewehrt hat – was wohl für den überwiegenden Teil der Beamten gelten dürfte –, hat nun keinen Anspruch auf Nachzahlungen. Trotzdem schätzt der Deutsche Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg, dass auf das Land Nachforderungen »in Millionenhöhe« zukommen. Nach eigenen Angaben hatte der Gewerkschaftsbund tausende Beamte bei Widerspruchsverfahren unterstützt. Nach DGB-Angaben unterschritt die Besoldung vor allem bei Beamten im mittleren Dienst, etwa Polizisten im Streifendienst oder Feuerwehrleuten, die Prekaritätsschwelle.
Der DGB begrüßt das Urteil. »Der DGB und die Gewerkschaften haben jahrelang auf dieses Zahlungsrisiko hingewiesen und gefordert, dass das Land ausreichend Vorsorge treffen muss«, heißt es in einer Pressemitteilung. Ähnlich äußerte sich auch der Deutsche Beamtenbund.
Für das politische Berlin kommt das Urteil nicht überraschend.
Für das politische Berlin kommt das Urteil nicht überraschend: Das Bundesverfassungsgericht hatte sich zuletzt mit mehreren Fragen an den Senat gewandt. Das war als Zeichen gewertet worden, dass ein entsprechendes Urteil wahrscheinlich sein dürfte. Im Doppelhaushalt 2026/2027, der aktuell vom Abgeordnetenhaus beraten wird, ist eine Vorsorge in Höhe von 280 Millionen Euro für diesen Fall hinterlegt worden.
»Die für das Landespersonal zuständige Senatsverwaltung für Finanzen respektiert diese Entscheidung und wird schnellstmöglich die notwendigen Schritte einleiten«, heißt es in einer Pressemitteilung. Man wolle nun ein »Reparaturgesetz« erarbeiten, um Ansprüche aus Nachforderungen zu regeln. »Dieses soll nicht nur für die vom BVerfG entschiedenen Besoldungsgruppen gelten, sondern für sämtliche offenen Verfahren in allen Besoldungsgruppen und in allen Besoldungsordnungen bis einschließlich 2020«, heißt es in der Pressemitteilung. Ob die 280 Millionen Euro schwere Risikovorsorge dafür ausreichend sei, müsse im Rahmen der Prüfung des Urteils ermittelt werden.
Bereits 2020 hatten die Karlsruher Richter in einem ähnlichen Verfahren die Besoldung für Berliner Richter und Staatsanwälte für verfassungswidrig erklärt. Die Verfassungsrichter mischten sich in den vergangenen Jahren immer aktiver in die Besoldung von Beamten ein. Im vorliegenden Urteil zur Besoldung von Berliner Beamten wird dies damit begründet, dass Beamte auf den Rechtsweg angewiesen seien, weil sie im Gegensatz zu anderen Beschäftigten nicht mit Streiks für höhere Bezüge kämpfen könnten.
Im Grundgesetz selbst ist nur unkonret festgeschrieben, dass das Dienstrecht »unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums« zu regeln sei. Bei der Prüfung der Besoldungshöhe beachten die Verfassungsrichter neben der Prekaritätsschwelle auch die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst, den Lohnindex und den Verbraucherindex.
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