Die Linke schließt Ramsis Kilani aus

Unterstützer des palästinensischen Aktivisten besetzen die Parteizentrale Karl-Liebknecht-Haus

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Ramsis Kilani kommt am Samstag aus dem Karl-Liebknecht-Haus, wo sein Parteiausschluss gerade bestätigt wurde.
Ramsis Kilani kommt am Samstag aus dem Karl-Liebknecht-Haus, wo sein Parteiausschluss gerade bestätigt wurde.

Plötzlich wird es hektisch im Berliner Karl-Liebknecht-Haus. »Die Linke hat unseren Genossen Ramsis Kilani ausgeschlossen«, ruft eine Frau am Samstagmittag. »Wir kämpfen weiter«, kündigt sie an und wird dabei immer lauter. »Deshalb besetzen wir jetzt das Karl-Liebknecht-Haus.«

Draußen stehen Polizisten. Aber in ihrer Bundeszentrale hat die Partei das Hausrecht und wartet erst einmal ab. »Bundesgeschäftsführer Janis Ehling ist unterwegs«, sagt Landesgeschäftsführer Bjoern Thielebein. Thielebein selbst wäre höchstens für die zweite Etage des mehrstöckigen Hauses zuständig, wo der Landesverband Berlin seine Büros hat. Aber die Besetzer gelangen nicht einmal dorthin. Sie bleiben unten im Foyer stehen. Die Türen vor ihrer Nase sind flugs abgeschlossen worden.

In einem Saal über den Hof hat kurz zuvor die Bundesschiedskommission der Linken ihre Entscheidung in Sachen Ramsis Kilani verkündet. Der Palästinenser, dessen Vater 2014 von der israelische Armee getötet wurde, bleibt aus der Partei ausgeschlossen. Die Begründung erfolgt wie üblich zu einem späteren Zeitpunkt in schriftlicher Form. Aber selbst wenn die Schiedskommission noch etwas hätte sagen wollen, hätte es niemand gehört. Denn alles weitere ging in einem kleinen Tumult unter. Elf Genossen hatten zusammen mit Kilani in den Saal gedurft. Für mehr Personen seien dort keine Stühle mehr frei, hieß es.

Alle anderen mussten im Eingang und auf der Straße warten. Nur Rüdiger Deißler, Bezirksverordneter der Linken in Charlottenburg-Wilmersdorf, hat spontan die Idee, sich in dem Raum rechts vom Eingang in einem Sessel niederzulassen. Er lotst einige andere Leute dorthin, weil es da angenehm warm ist. Unter freiem Himmel liegt die Temperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt. Deißler gehört zu den Genossen, die gegen den Parteiausschluss von Kilani sind.

Insgesamt an die 70 Menschen hatten sich um 11.30 Uhr zu einer Solidaritätskundgebung vor dem Karl-Liebknecht-Haus versammelt. Ungefähr jeder dritte trug eine Kufiya – so die korrekte Bezeichnung für das früher oft als Palästinensertuch bezeichnete Stück Stoff. Zeitweise setzte sich auch ungefähr ein Drittel der Kundgebungsteilnehmer auch eine Ramsis-Kilani-Maske auf als Zeichen, dass mit dem Parteiausschuss alle gemeint seien, die in dieser Frage der Linie der Linken nicht folgen wollen.

Mit Palästina dürfe man für die Linke nur zu deren Konditionen solidarisch sein, hatte während der Kundgebung eine Rednerin sarkastisch bemerkt. Solidarisch dürfe man gern mit den Frauen und Kindern im Gazastreifen sei, inzwischen auch Völkermord sagen. Aber Solidarität mit dem militanten Widerstand, mit den Palästinensern, die zu den Waffen greifen, das sei leider nicht erlaubt – und das bei der Partei der Revolutionäre Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, beklagt die Rednerin. Ramsis Kilani habe die »Grenze des Sagbaren« überschritten.

Vorgeworfen wird dem jungen Palästinenser unter anderem die Äußerung: »Wir sind bereit, den antikolonialen Befreiungskampf durchzuziehen und international zu unterstützen. Ich denke, es wird mehr als ›einen Mord an Israelis‹ brauchen.« Seine Unterstützer erklären, es seien Zitate rausgepickt und aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die Partei habe sich von einer Medienkampagne gegen Kilani treiben lassen.

Den Ausschluss beantragt hatten Martin Schirdewan und Katina Schubert. Er war bis Oktober 2024 Bundesvorsitzender und sie war seine Stellvertreterin. Ungefähr so lange zieht sich der Streit um den Parteiausschluss von Ramsis Kilani auch schon hin.

Kilani selbst beschwert sich am Samstag, er sei weder neutral noch unabhängig bewertet worden. »Es ist ein Scheinverfahren gewesen.« Der Genozid an den Palästinensern werde einer möglichen Regierungsbeteiligung untergeordnet, meint Kilani.

Seit 2023 gibt es im Berliner Abgeordnetenhaus zwar keine rot-grün-rote Koalition mehr, sondern eine aus CDU und SPD. Doch im September 2026 wird neu gewählt und die schwarz-rote Koalition des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) hat in den Meinungsumfragen keine Mehrheit mehr.

Kilani beschwert sich, dass er sich am Samstag nicht gegen Vorwürfe verteidigen darf. »Ein Beschuldigter hat das Recht, angehört zu werden«, findet er. Kilani sagt auch, der Kampf um die Freiheit Palästinas sei verbunden mit dem Kampf gegen Antisemitismus und Faschismus und mit dem Kampf gegen die AfD. In Anspielung auf das viel beschworene Existenzrecht Israels spricht er von einem Existenzrecht der Menschen und schildert seinen Traum von einer demokratischen Ein-Staaten-Lösung mit sozialistischer Perspektive, die es Palästinensern und Juden erlauben würde, einträchtig miteinander zu leben.

Kilani kritisiert, dass ein Linker wie er aus der Linken ausgestoßen werde, dagegen »ein Rechter« wie der Brandenburger Antisemitismusbeauftragte Andreas Büttner in der Partei bleiben dürfe. Das allerdings ist noch nicht heraus. Denn nachdem die Brandenburger Landesschiedskommission den beantragten Parteiausschluss von Büttner abgelehnt hat, muss nach einem Widerspruch dagegen die Bundesschiedskommission erst noch entscheiden, wie Büttner dem »nd« auf Nachfrage erklärt.

Als Bundesgeschäftsführer Ehling da ist, hört er sich die Forderungen der Besetzer an und spricht mit ihnen. Der Bundesschiedskommission kann er aber weder in die eine Richtung noch in die andere Vorschriften machen. Als er wieder weg ist, harrt am späten Nachmittag ein knappes Dutzend Besetzer noch immer im Foyer aus. Die Linke lässt sie vorerst gewähren.

»Es ist ein Scheinverfahren gewesen.«

Ramsis Kilani

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