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Spektakel und viele Fehler: Große Unruhe bei Borussia Dortmund

Beim BVB ruckelt es gewaltig – auf dem Rasen und verschiedenen Nebenschauplätzen

  • Daniel Theweleit, Dortmund
  • Lesedauer: 5 Min.
Trainer Niko Kovac (r.) hätte mit Unruhestifter Karim Adeyemi fast den Dortmunder Sieg eingewechselt.
Trainer Niko Kovac (r.) hätte mit Unruhestifter Karim Adeyemi fast den Dortmunder Sieg eingewechselt.

Irgendwo inmitten der vielen Aspekte, Geschichten und Details, die das wilde 3:3 zwischen Borussia Dortmund und dem VfB Stuttgart hervorgebracht hatte, formulierte Niko Kovac einen Satz, der dem Trainer des BVB womöglich noch einige schlaflose Nächte bereiten wird. »Was bringt mir Spektakel, wenn du nur einen Punkt hast?«, fragte Kovac und sprach damit einen Kampf an, den er seit seinem ersten Tag in Dortmund führt – zunächst recht erfolgreich, inzwischen aber zunehmend hilflos: der Kampf um Ruhe und Stabilität.

Im Kern meinte Kovac das Spiel, die Dortmunder Fans hatten sich über eine eher glückliche 2:0-Führung gefreut, sie hatten gelitten, weil der VfB durch zwei Deniz-Undav-Tore ausglich. Sie waren ausgeflippt, als Karim Adeyemi in der 89. Minute das 3:2 schoss, und verstummt, als Undav seinen dritten Treffer in der Nachspielzeit erzielte.

Traditionelles »Spektakel«

Die Frage des Dortmunder Trainers lässt sich aber auch gut auf die Gesamtsituation ausweiten, in die der Verein hineingeraten ist. Der Klub steckt voller Debattenthemen, die sich recht gut unter dem Begriff »Spektakel« zusammenführen lassen. In den vergangenen zehn Tagen ist der Verein auch unter dem für seine beruhigende Wirkung geschätzten Kovac gefährlich nah an die Kante herangeraten, hinter der sich die fast schon traditionellen Herbstunruhen beim BVB auftun.

Wie schon am Spieltag zuvor gegen den Hamburger SV hat das Team durch ein Tor in der Nachspielzeit zwei Punkte verloren. Hinzu kommen Fragen nach der Haltung, weil zwei der drei Stuttgarter Tore von einer Schlampigkeit begünstigt wurden, die in den besseren Phasen unter Kovac endgültig überwunden schien: Vor dem ersten Gegentreffer fabrizierte Julian Brandt einen furchtbaren Ballverlust in der eigenen Spielhälfte, Kapitän Emre Can verteidigte dann viel zu zaghaft gegen den Torschützen Undav. Beim 2:2 war Jobe Bellingham nicht wach genug und hob das Abseits auf. In der Nachspielzeit gelang es keinem Dortmunder, die wilde Dynamik des Spiels unter Kontrolle zu bekommen.

Unangenehme Recherchen

Fußballerisch ruckelt es gewaltig. Und dann ist da noch das unübersichtliche Geschehen auf den Nebenschauplätzen, das ebenfalls zu den bekannten Zutaten solch eines typischen BVB-Herbstes zählt. Eine Recherche von »Sportschau« und »Spiegel« wirft die Frage auf, ob der langjährige Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der am Sonntag auf der Mitgliederversammlung zum neuen Vereinspräsidenten gewählt werden will, für das neue Amt überhaupt geeignet ist. Weil er als Chef des Gesamtunternehmens nicht entschlossen genug ermitteln ließ, als er 2010 und ein zweites Mal 2023 mit einer Missbrauchsaffäre konfrontiert wurde. Einem ehemaligen Klubfunktionär wird vorgeworfen, in den 1990er Jahren Nachwuchsspieler sexuell belästigt zu haben, was dieser bis heute abstreitet. Konsequent aufgeklärt wurde nicht, der Mann blieb jahrelang Ehrenmitglied und gehörte verschiedenen Gremien an.

Das alles fand zwar im Verein, also auf der Ebene des e.V. statt, während Watzke Chef der Profiabteilung war. Aber in seiner Rolle als Kopf des Gesamtbetriebs hätte er sich in dieser Sache schon entschlossener engagieren können. Stattdessen schrieb er in einem Mailverkehr 2023 zu dieser Sache: »Macht was Ihr wollt, aber setzt mich bitte nicht mehr ins cc...«

Unruhestifter Adeyemi

Und dann ist da noch die Sache mit Karim Adeyemi, die beinahe zur Hauptgeschichte der Partie gegen den VfB geworden wäre. Der Nationalspieler ist wegen des Kaufs illegaler Waffen zu einer Strafzahlung von 450 000 Euro verurteilt worden, was sowohl während der Länderspielpause in der Nationalmannschaft als auch beim BVB für Unruhe sorgt. Adeyemi selbst gibt an, nicht gewusst zu haben, was genau sich in der bei Tiktok erworbenen Mystery Box befand, in der Öffentlichkeit kursierende Angaben nähren jedoch Zweifel an dieser Behauptung. Adeyemi habe »Kenntnis« von dem Inhalt des Pakets gehabt, ihm sei »bewusst« gewesen »nicht zum Erwerb und Besitz dieser Gegenstände berechtigt« zu sein, steht laut »Bild« in dem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft. Erwischt wurde der Angreifer aufgrund einer Verwechslung: Ein Freund sollte eine andere Postsendung zu einem Besuch an Adeyemis Urlaubsort mitbringen und wurde am Flughafen mit dem versehentlich eingepackten Waffenpaket erwischt. Eine absurde Geschichte.

All das ist natürlich auch Thema in der Kabine, Torhüter Gregor Kobel sagte nach dem Spiel am Sonnabend: »So wie die Story war, ist das natürlich mega unglücklich für ihn. Er hat super Pech gehabt. Vor allem auch: Was für eine Strafe, mein lieber Freund!« Die Mitspieler scheinen mehr Verständnis aufzubringen, als die durchaus zurecht erregte Öffentlichkeit. Als Adeyemi dann in der 89. Minute zum zwischenzeitlichen 3:2 gegen den VfB traf, dachte wohl die Mehrheit der 80 000 unweigerlich an die Mystery-Box-Story.

Undavs dritter Treffer lenkte den Fokus dann aber doch auf den Stuttgarter Angreifer, der auch die würdigere Hauptfigur dieser Partie war. Für ihn und den VfB hatte sich das Spektakel zweifellos gelohnt, während die Dortmunder mit einer Champions-League-Partie gegen Villarreal am Dienstag und anschließenden Duellen gegen die aufblühenden Leverkusener in Liga und Pokal noch näher an den Krisenabgrund herangeraten könnten.

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