DFB-Team in der WM-Qualifikation: Zwischen Zweifeln und Euphorie

Deutschlands Fußballer schießen sich mit sechs Toren gegen die Slowakei zur WM 2026

  • Matthias Koch, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.
Nutzte seine Chance: Leroy Sane (o.) traf gegen die Slowakei doppelt.
Nutzte seine Chance: Leroy Sane (o.) traf gegen die Slowakei doppelt.

Die deutschen Fußballer haben mit der Qualifikation für die WM 2026 ihr erstes Ziel erreicht. Beim 6:0 im »Finale« der Gruppe A gegen die Slowakei überzeugte das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann endlich mal wieder durchgehend. Und die mehr als 40 000 Zuschauer in Leipzig gingen nahezu euphorisch mit.

Doch die Entwicklung unter Nagelsmann scheint ein Balanceakt zwischen Fortschritt, Reibung und umstrittenen Personalentscheidungen zu bleiben. Die Freude in den Gesichtern der Spieler auf der Ehrenrunde zeigte am Montagabend, wie groß die Erleichterung bei ihnen selbst war. »Der Trainer hat uns top eingestellt und wir haben es gut umgesetzt. Am Ende war es ein starkes Spiel. Jeder wollte ein Zeichen setzen«, bilanzierte Kapitän Joshua Kimmich. »Ich bin glücklich über die Art und Weise, wie wir das Spiel gewonnen haben.«

Entspannte WM-Auslosung

Eine Niederlage gegen die vor dieser Begegnung punktgleichen Slowaken hätte die Teilnahme an den Playoffs im März mit sich gebracht. So aber kann der Deutsche Fußball-Bund (DFB) entspannt auf die WM-Auslosung am 5. Dezember warten. Denn: Im Kennedy Center in Washington D.C. wird die deutsche Kugel aus Lostopf eins gezogen. Damit geht man vermeintlich stärkeren Nationen wie Titelverteidiger Argentinien, Brasilien oder England in der Gruppenphase des erstmals mit 48 Teams ausgetragenen Turniers aus dem Weg.

Als Favorit reist Deutschland nicht zur WM in den USA, Kanada und Mexiko. Dafür waren die Leistungen nach dem guten Auftakt unter Nagelsmann bei der EM 2024 in der Nations League und der nun abgeschlossenen WM-Qualifikation nicht überzeugend genug. Der Bundestrainer hielt sich dann auch bedeckt, als er gefragt wurde, ob er seine Mannschaft mit den Spitzenteams auf Augenhöhe sehe. »Wir können nicht immer von Schwarz auf Weiß kippen in 90 Minuten, das ist mir zu einfach. Wir schauen auf die anderen, wenn wir sie vor der Brust haben«, erklärte Nagelsmann und ergänzte: »Ich sage jetzt nicht, was ich denke, das ist vielleicht besser.«

Drei Tage zuvor hatte sich die DFB-Elf in Luxemburg fast erneut blamiert. Nach dem schmeichelhaften 2:0-Sieg sahen viele das Team bereits wieder am Abgrund. Schließlich hatte es im ersten Gruppenspiel in der Slowakei bei der 0:2-Pleite in Bratislava die erste Auswärtsniederlage einer deutschen Mannschaft in einer WM-Qualifikation überhaupt gegeben.

Team im Reifeprozeess

In Leipzig folgte nun wieder mal ein gelungener Auftritt einer Formation, die noch immer im Reifeprozess ist. Die Rückkehr der in Luxemburg geschonten Führungsspieler Kimmich und Nico Schlotterbeck zahlte sich aus. Nick Woltemade untermauerte mit seinem vierten Tor im achten Länderspiel seine Vormachtstellung im Angriff: Sein Treffer zum 1:0 in der 18. Minute löste die letzten Fesseln. Zudem zahlten mit Serge Gnabry und Leroy Sane zwei Spieler Vertrauen zurück, das ihnen der Trainer zuvor geschenkt hatte. Gnabry war trotz eines schwächeren Auftritts in Luxemburg in der Startelf geblieben und erzielte zehn Minuten nach der Führung das 2:0. Sane traf dann noch vor dem Pausenpfiff doppelt. Seine Nominierung für die beiden Qualifikationsspiele war überraschend gekommen, diese Chance hat er wohl genutzt.

Etwas erstaunt es schon, dass Nagelsmann immer noch keine Stammformation gefunden hat und so häufig wechselt. Das liegt auch an der verletzungsbedingen Abwesenheit der Kreativspieler Jamal Musiala und Kai Havertz. Manche Maßnahmen des Bundestrainers überraschen dennoch. Die Stuttgarter Maximilian Mittelstädt und Angelo Stiller beispielsweise tauchten nun nicht mehr im Kader auf. Dafür wurde der Kölner Said El Mala nach gerade mal zehn Bundesligaspielen nominiert. In Luxemburg saß der 19-Jährige auf der Bank, danach schickte ihn Nagelsmann zur U21.

Sternstunf und Fan-Demo

Assan Ouedraogo erlebte dagegen über Umwege eine Sternstunde. Der 19-Jährige, der für RasenBallsport Leipzig bislang ebenfalls erst zehn Partien in der Bundesliga absolviert hat, wurde in der vergangenen Woche nachnominiert. In Leipzig kam er zehn Minuten nach dem 5:0 seines Vereinskollegen Ridle Baku für Florian Wirtz ins Spiel. Und schon zwei Minuten später jubelte er: In der 79. Minute traf der Mittelfeldspieler gegen überforderte Slowaken zum 6:0-Endstand. Weil in Leipzig vieles funktionierte, wurden letztlich die großen Probleme in einer an sich leichten Qualifikatonsgruppe verdrängt.

Für 48 Stunden war die Messestadt so etwas wie der Nabel des deutschen Fußballs. Am Sonntag hatten dort Tausende aus vielen Fanszenen der Bundesrepublik friedlich gegen Pläne der Politik demonstriert, die Sicherheitsmaßnahmen mit umstrittenen Mitteln zu verschärfen. Hier und da waren die Transparente auch beim Länderspiel zu sehen. Eine Berliner Abordnung präsentierte ein Banner mit der Aufschrift: »Für den Erhalt der Fußballkultur«.

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