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Repression gegen Antifas: Ein nie dagewesener Verfolgungseifer

Hörst Schöppner kritisiert die bundesdeutsche Justiz wegen ihres Vorgehens gegen Antfaschist*innen

  • Horst Schöppner
  • Lesedauer: 5 Min.
Teilnehmer einer Kundgebung vor dem Oberlandesgericht Dresden protestieren gegen den »Antifa-Ost«-Prozess.
Teilnehmer einer Kundgebung vor dem Oberlandesgericht Dresden protestieren gegen den »Antifa-Ost«-Prozess.

Antifaschismus steht im weitesten Sinne für Werte wie Solidarität, Gleichheit, Frieden und Freiheit. Doch diese Werte sind in Frage gestellt. Die AfD mit ihrer Agenda der Spaltung, Denunziation, Hetze und Ungleichheit vergiftet dieses Land. Antifaschist*innen werden mit Repressionen überzogen oder verschwinden gar im Gefängnis, während sich die bürgerlichen Parteien und Institutionen zunehmend als Steigbügelhalter und Gehilfen der Rechten gerieren. Es wird rauer in Deutschland.

US-Präsident Donald Trump hat die deutsche »Antifa-Ost« auf seine Terrorliste gesetzt. So ein Vorgehen bedeutet einen Angriff auf jegliche Opposition. Antifa ist der gemeinsame Nenner aller Kräfte, die Faschismus ablehnen. Das galt nach dem Zweiten Weltkrieg ebenso wie im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco. Antifaschismus ist eine breite Klammer. Und in der Tat ist mit dem Angriff auf die Antifa alles gemeint, was sich der rechten Reaktion in den Weg stellen könnte oder auch nur vorsichtig Fragen formuliert: von Gewerkschaften über Pazifisten, Wissenschaft, Naturfreunden bis hin zur MLPD. Dahinter steht der beschriebene Wertewandel. Dieser ist notwendig, denn auf der staatlichen Agenda steht neben der Verschärfung nach innen auch Krieg nach außen. Eine (antifaschistische) Opposition wäre dabei hinderlich.

Horst Schöppner

Horst Schöppner, Jahrgang 1960, war in den 1980er Jahren aktiver Antifaschist. Er schreibt unter verschiedenen Pseudonymen Bücher und Artikel zum Thema Neofaschismus und Antifaschismus. Dazu gehört sein Buch »Antifa heißt Angriff – Militanter Antifaschismus in den 1980er Jahren« aus dem Unrast-Verlag. Schöppner war jahrelang »undercover« in der Naziszene aktiv und wird bis heute bedroht.

Besonders deutlich ist die Attacke gegen Antifaschist*innen an den harten Urteilen deutscher Gerichte zu erkennen. So bekamen die Mitglieder der »Antifa-Ost« für Körperverletzungen und Gründung einer kriminellen Vereinigung teilweise über fünf Jahre Haft (wie Lina E.) oder Hanna S. (vom sogenannten Budapest-Komplex). Die Nazis von »Knockout 51« hingegen gingen für die gleichen Vorwürfe weniger als vier Jahre hinter Gitter. 2021 wanderten zwei Antifaschisten in Baden-Württemberg für viereinhalb bzw. fünfeinhalb Jahre in den Knast, weil sie extrem Rechte angegriffen hatten. Wohingegen der Nazi Maurice P. für ein in den Hals gerammtes Cuttermesser unter drei Jahre bekam. Faschisten können mit Milde rechnen, Antifas nicht.

Der staatliche Verfolgungseifer zeigt sich auch an der illegalen Abschiebung von Maja T. nach Ungarn. Wirklich wundern darf einen das nicht. In den vergangenen Jahren sind bei Polizei und Verfassungsschutz wiederholt zahlreiche rechte Beamte bekannt geworden.

Immer mehr Bundesländer führen zudem eine Extremismusklausel für Staatsbedienstete ein. Diese Maßnahme richtet sich vorgeblich gegen die AfD und Neonazis. Doch der Schein trügt. Es trifft in Zukunft alle, die gemäß der Hufeisentheorie als extremistisch gelten. Vom Innenministerium Rheinland-Pfalz sind 22 rechte Organisationen gelistet und 18 linke. Darunter die Freie Arbeiterinnen-Union (FAU), das postautonome Ums-Ganze-Bündnis, die Solidaritätsorganisation Rote Hilfe und die Migrantifa Rhein-Main. Hinzu muss das Umfeld gerechnet werden, das über eine Kontaktschuld ebenfalls in Verdacht gerät. Jede als extremistisch oder – wie in den USA – als Terrororganisation definierte Gruppe wird so völlig isoliert. Solidarität wird zur Unterstützung einer solchen Organisation, was sowohl Solidaritätskundgebungen als auch Geldüberweisungen unmöglich macht. Das ist eines der Ziele der US-Terrorliste.

Doch es geht subtil weiter. Die CDU will sämtliche Nichtregierungsorganisationen auf Verfassungstreue überprüfen. Die Definitionshoheit über Extremismus liegt beim mit Rechten durchsetzten Verfassungsschutz. Die AfD lacht sich ins Fäustchen, hat damit doch die CDU ihre Strategie übernommen und macht sich zum Vorkämpfer gegen alle Nuancen des Antifaschismus. Aktuell verhindern Universitäten Treffen der »Studis gegen rechts«, die gegen den Gründungsparteitag der AfD-Jugend in Gießen mobilisieren wollen. Dafür genügte eine E-Mail der AfD an die Universitätsleitungen. Die Angst vor potenziellen Maßnahmen fördert Duckmäusertum. Damit geht die Agenda der Nazis auf, politische Diskurse, Organisation oder Solidarität werden unmöglich.

Auch auf der praktischen Ebene wird gegen Antifaschismus vorgegangen. Sitzblockaden wurden jüngst vom Bundesverfassungsgericht als strafbar bewertet. Damit ist Nazigegner*innen ein wichtiges Werkzeug genommen. Dabei saß noch 2010 der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) straffrei gegen Nazis auf der Straße. In den 80ern waren Sitzblockaden vor Kasernen ein Massenphänomen als Protest gegen die Aufrüstung.

Auch in den 80er Jahren wurden schon Antifaschist*innen verurteilt, aber zu Mordermittlungen bei Körperverletzungen kam es nur äußerst selten. Die Strafmaße wurden in den Urteilen nicht maximal ausgereizt. Die Generation der Nazirichter war gerade im Ruhestand und mitunter konnten Antifas vor Gericht sogar mit Verständnis rechnen.

Die Repression war bei Weitem nicht vergleichbar fortgeschritten. Zum einen waren die staatlichen Organe mit drei illegalen Gruppen (RAF, Bewegung 2. Juni und RZ) beschäftigt, zum anderen gab es Massenmilitanz gegen Atomkraftwerke, Startbahn West oder Hausräumungen. Und auch gegen Nazis. Doch die militante Antifa war ein neues Phänomen, deren Bedeutung von den Verfolgungsbehörden noch nicht erkannt wurde. Vielleicht steckte aber auch dahinter, dass den Behörden Angriffe gegen Nazis oder deren Infrastruktur nicht so verfolgungsrelavant schien, weil sie sie nicht als staatsgefährdend einschätzten.

Das verschärfte Vorgehen gegen Antifaschist*innen meint den Angriff gegen jegliche Opposition. Wir müssen beizeiten mit unseren Werten gegensteuern, auf allen Ebenen. Nur wenn wir konsequent die Fahne des Antifaschismus als Sammelbegriff für eine fortschrittliche Gesellschaft hochhalten, werden wir überleben und so auch Mitstreiter*innen finden. Gelingt uns das nicht, wird es kalt in Deutschland.

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