Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Gud’n Aamd, gute Nacht

Der Medienstaatsvertrag wird reformiert. ARD und ZDF sollen verschlankt werden. Hurra! Hier schon mal ein paar dringende Streichvorschläge

  • nd-Feuilleton
  • Lesedauer: 8 Min.

Betrug und Zipfelmütze

Im Grunde kann das ganze Gerümpel weg.
Im Grunde kann das ganze Gerümpel weg.

»Sympathieträger, Erfolgsgeschichte, Kultstatus« – das ZDF trägt sehr dick auf, wenn es um seine »Mainzelmännchen« geht. Gibt es die schon 100 Jahre? Nein, seit 1963 unterbrechen sie mit ihren Fünfsekundenfilmen das Vorabend-Werbefernsehen, in Farbe seit 1967. Nennt mich reaktionär, und auch wenn ich da noch nicht geboren war, sage ich: In Schwarz-Weiß war die beste Zeit dieser sechs Gestalten nach »Gartenzwergart« (Wikipedia).

Auf Youtube sieht man, wie Anton, Berti, Conni, Det, Edi und Fritzchen in den 60ern noch charmant und künstlerisch wirkten. Es gab halbdadaistische Collagen mit eingebauten Tierfotos, Kuckucksuhren, Gemälden und Büchern. In den 70ern waren sie putzige Minimal-Art und vollführten mit wenig Aufwand Kunststückchen (mit Bällen, Würfeln und Strichlinien). Doch dann wurden sie unter Kanzler Kohl zu schlechten Komikern. Ein bisschen Bewegung auf dem Bildschirm, mehr nicht. Mittlerweile machen sie Yoga, Waldbaden und kurbeln an Windrädern rum – ohne Witz und Sinn.

Seit dem Wegfall gesellschaftlicher Utopien leben die Mainzelmännchen eine Witzerwartungsenttäuschung vor. Es ist derselbe Betrug wie das Werbefernsehen, in dem sie auftauchen. Ab der Jahrtausendwende musste ich nur einmal über sie lachen – als Zitatpop. Nach dem Einparken sprang ein Freund aus der Beifahrertür aus dem Auto, ging in die Hocke und krächzte in Mainzelmännchen-Manier: »Gud’n Aamd!« Oh nee, »Sympathieträger, Erfolgsgeschichte, Kultstatus« mit über 50 000 Folgen seit 1963? Haltet sofort diese Art von Fernsehen an! Christof Meueler

Mensch-Hamster

Ganz so, als wäre der Sport selbst, als Tätigkeit verstanden, nicht schon unsinnig und albern genug, gibt es ja im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen und Radio obendrein auch noch sogenannte Sportberichterstattung. Das heißt: Es reicht anscheinend nicht, dass Menschen in ihrer Freizeit ein sinnfreies hospitalistisches Gehampel aufführen, sondern ihre ungelenken stereotypen Körperbewegungen werden auch noch von anderen abgefilmt und kommentiert und über Bild-/Ton-Kanäle versendet. Damit nicht genug: Menschen betrachten, hören und kommentieren wiederum freiwillig die versendeten Bild-/Tondokumente, auf denen zu sehen und zu hören ist, wie ihresgleichen sich sinnlos hin- und herbewegt, wobei sie bevorzugt kollektiv lachen und/oder brüllen.

Die Einschlafhilfen »Tatort« und »Polizeiruf 110« könnten problemlos durch ein Testbild ersetzt werden.

Das ist ungefähr so, als würden Hamster, die in Hamsterrädern kauern oder laufen, auf kleinen hamstergerechten Bildschirmen anderen Hamstern dabei zusehen, wie sie in Hamsterrädern kauern oder laufen. Ist ein absurderes Benehmen denkbar? Ein Hamster würde dergleichen wohl nicht tun. Menschen verhalten sich so.

In Sportsendungen sehen wir infantilisierten Personen, die aber ernst genommen werden wollen, bei der medialen Dauerpräsentation von potenziertem Stumpfsinn zu (den sie überdies ungestraft zu einer Art weihevollen Kulthandlung umetikettieren). Dass so etwas durch und durch Geistloses nicht nur erlaubt, sondern sogar »populär« ist, zeigt, dass der angebliche Fortschritt, der seit der Steinzeit gemacht wurde, sehr überschaubar ist. Ein einziger Blick auf den fanatisierten Mob, der ein in der Glotze übertragenes Fußballspiel anschaut, genügt, um zu wissen, dass die Abschaffung aller Sportsendungen ein erster kleiner Schritt zur Entbarbarisierung dieses Landes wäre. Thomas Blum

Taxi Driver, schlechte Zeiten

Einmal, da wäre der deutsche Film fast gerettet worden. Mit »Die Sieger« hatte Dominik Graf 1994 etwas gewagt, was es im teutonischen Kino bis dato nicht gegeben hatte: einen hochunterhaltsamen, clever aufgebauten Actionthriller. Warum der Film floppte – ich weiß es nicht. Doch danach war Dominik Graf ein gebrochener Mann und begnügte sich fortan mit »Polizeiruf 110« und »Tatort«.

Ein trauriges Künstlerschicksal. Denn beide Krimiserien führen einem Woche für Woche die Grenzen der öffentlich-rechtlichen Fernsehunterhaltung vor Augen. Dies liegt zum einen an der Budgetpolitik. Während die ARD für Bundesligakicks jede Saison über 100 Millionen Euro rausballert, knausert sie bei den letzten TV-Lagerfeuern, die wenigstens noch glimmen. Für Schimanski wurden einst 30 Drehtage veranschlagt; heute muss ein »Tatort« nach 20 bis 22 Tagen im Kasten sein. Da darf man keine Kinoästhetik erwarten.

Es liegt aber auch an den Drehbuchautoren und Regisseuren. Ja, man merkt ihnen das Bemühen an, hart, roh und authentisch zu sein – Scorsese lässt grüßen. Doch der Neorealismus bleibt auf halbem Weg stecken. Was als »Taxi Driver« anfängt, endet als »Gute Zeiten, schlechte Zeiten«. Zugleich wird der Zuschauer für tendenziell verblödet gehalten. Immer wieder mutieren die Kommissare zu Sozialkundelehrern, die dem unbedarften Fernsehvolk in hölzernen Worten erklären, warum es in dieser ungerechten, grausamen Welt ziemlich böse Menschen gibt.

Das müssten eigentlich die Bilder leisten, doch dazu fehlt, siehe oben, das Geld. Es mangelt aber auch an Mut. Autoren, die finanziell darauf angewiesen sind, dass Redaktionen – sprich: Gremien – ihre Drehbücher absegnen, werden keine Angriffsflächen liefern, an denen Bedenkenträger sich abarbeiten könnten. So kommt am Ende der kleinste gemeinsame Nenner heraus. Was aber auch sein Gutes hat: Man kann nach »Tatort« und »Polizeiruf 110« beruhigt einschlafen. Frank Jöricke

Doof, dafür teuer

Als ich vor gut 30 Jahren eine Zeit lang in Schweden lebte, sprachen dort jedes Kind und jede Omi fließend Englisch. Schwedinnen, Schwedis und Schweden waren zu keiner Zeit in Gefahr, sich wie wir Deutschen zum Obst zu machen, wenn wir mal wieder daherstammelten, um mit den anderen Erasmusstudentis zu quatschen, eh wir es dann lieber sein ließen, um den geheimnisvoll schweigenden Deutschen zu geben, als tief als der Wald!

Welches aufsehenerregende Volkserziehungsprogramm wohl dahinterstand, das sämtliche Schwedinnen, Schweden und Schwedenden zu solchen Sprachgenies gemacht hatte? (Wie viele Kronen da geflossen sein müssen! Da hatte ein Land mal wirklich alles gegeben, um den Anschluss an die Restwelt und ihre selbstverständlichste, simpelste Umgangssprache nicht zu verlieren!)

Die Antwort ist natürlich: Ingenting. Oder zu Deutsch: Nüschte. Das ganze Gegenteil war und ist ja bis heute der Fall. Das dicke dumme Deutschland, ARD und ZDF vorneweg, investiert jedes Jahr Zigmillionen, um die eigene Doofheit zu erhalten. Sie nennen es »Synchronisation«. Mittelmäßig begabte Schauspielis quatschen möglichst »gekonnt«-theatral auf die lustigen spritzigen Serien und Filme aus aller Welt drauf. Damit der trottelige Teutsche auch mitkommt. Ächz! For so what is also money there. Klaus Ungerer

Kreuzfahrt stinkt

Seit 1981 schippert das Traumschiff bereits über deutsche Fernsehbildschirme und – es wird den einen oder anderen vielleicht überraschen – das immer noch mit neuen Folgen.

Während der Kinderkanal also in den nächsten Jahren aus Kostengründen online only geht (das Internet, wie jeder weiß, ein großartiger Ort für frühkindliche Entwicklung), ist die ZDF-Filmcrew (inklusive Hauptdarsteller Florian Silbereisen) für die diesjährigen Traumschiff-Folgen unter anderem nach Bora Bora, Miami und Neuseeland unterwegs. Das klingt ein bisschen nach Satire, ist es aber nicht.

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Man verstehe mich hier nicht falsch, ein (irrationaler) Teil von mir möchte solche Produktionen schon gern behalten. Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen: ZDF-Traumschiff. Im Jahr 2025. Mit Florian Silbereisen. Auf Bora Bora. Das ist ein so urkomisches Konzept, das kann man sich eigentlich gar nicht ausdenken. Der rationalere Teil meiner selbst sagt sich allerdings: Eine teure Kreuzfahrt-Produktion in Zeiten von Klimakatastrophen und Einsparungen bei den Öffentlich-Rechtlichen? Vielleicht nicht die richtige Botschaft.

Herrgott, aus Solidarität hätte man dieses Jahr doch wenigstens ein Donau-Spezial drehen können, statt den Atlantik zu überqueren. Oder im Pazifik rumzudümpeln. Das Traumschiff umfasst (anno 2025) 38 Staffeln. Mit mehr als 100 Folgen! Muss man sich da nicht langsam eingestehen, dass es vielleicht Zeit ist, den Kapitänshut an den Nagel zu hängen und drei bis vier Mal im Jahr Wiederholungen laufen zu lassen?

Mir tut es auch weh, ein Format abzusetzen, in dem Harald Schmidt einen Kreuzfahrtdirektor namens Oscar Schifferle spielt (der vielleicht beste Witz im deutschen Abendprogramm), aber es wäre die richtige Entscheidung. Die Fetischisierung exotischer Kreuzfahrten muss ein Ende finden. Florian Silbereisen kommt schon woanders unter. Antonia Leise

Sehnsucht nach Hanni

Fernsehen, ernsthaft? Guckt das noch jemand?

Das letzte Mal, dass ich Fernsehempfang hatte, muss so 15, 20 Jahre her sein. Damals kam das Fernsehen einfach noch so aus der Luft. Dafür hatten wir ja den Fernsehturm. Er schickte uns Wellen voll guter Unterhaltung, die Wellen verfingen sich dann in einer wackligen Antenne, die auf dem Fernseher vor sich hin staubte und an der man lustig herumspielen konnte, wenn der Empfang mal wieder so mittel war.

Mein Fernsehkonsum war immer weniger geworden über die Jahre und Jahrzehnte, im Grunde war ja alles so vorhersagbar, und das Warten auf die Rückkehr von Hanni Vanhaiden hatte ich lange aufgegeben. Eines Tages war dann Schluss. Sie hatten die Luftübertragung eingestellt, einfach so, die Fee Hanni sollte zukünftig durch ein Kabel kriechen, statt uns zuzufliegen. Wer auch immer auf die Idee gekommen ist! Ich vermute, es ist dieselbe Person, die auch »Einschaltquoten« als Qualitätsmerkmal erfunden hat oder die allabendliche Ausrufung des »Dax« als Religionsersatz. Sobald ich größere Anteile an einer der Dax-Firmen halte, werde ich wieder einschalten. Bis dahin spenden Sie bitte noch ein wenig fürs »nd«. 
Niko Daniel

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