Merz in Israel: Anbiedern an Netanjahu

Bundeskanzler belässt es bei zahnlosen Appellen für Verhandlungen um Zweistaatenlösung

Kriegsverbrechen in Gaza hin oder her: Zwischen den Bundeskanzler und den israelischen Ministerpräsidenten passt kein Blatt Papier.
Kriegsverbrechen in Gaza hin oder her: Zwischen den Bundeskanzler und den israelischen Ministerpräsidenten passt kein Blatt Papier.

Was vorab zu erwarten gewesen war, traf ein: Bundeskanzler Friedrich Merz brachte beim Treffen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gerade mal einen Appell zustande, es möge Verhandlungen in Richtung einer Zweistaatenlösung in der Region geben. Darüber hinaus: nichts. Vielmehr bekräftigte der Kanzler das Ende des kurzzeitigen Teilstopps von deutschen Waffenlieferungen an Israel wegen der brutalen Kriegsführung Israels im Gazastreifen. Dies, obwohl es trotz der seit Mitte Oktober offiziell geltenden Waffenruhe weiterhin nahezu täglich israelische Luftangriffe auf Zeltlager in Gaza gibt.

Die Linke-Vorsitzende Ines Schwerdtner kommentierte am Montag gegenüber »nd«, es sei »natürlich ein Hohn für die Opfer der israelischen Kriegsführung in Gaza«, dass sich Merz »mit einem Kriegsverbrecher trifft«. Mit Blick darauf, dass Merz sich zwar für eine Zweiststaatenlösung aussprach, aber eine Anerkennung Palästinas ablehnt, sagte Schwerdtner: »Wer von der Anerkennung Palästinas nicht sprechen will, sollte von der Zweistaatenlösung schweigen.«

Schwerdtners Kollegin in der Linke-Bundestagsfraktion, Nicole Gohlke, schrieb auf der Plattform X, Merz legitimiere mit seinem Auftreten in Israel »eine Politik, die internationales Recht missachtet und Frieden unmöglich macht«.

Merz hatte am Sonntag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Netanjahu an diesen appelliert, jetzt müssten Verhandlungen für zwei friedlich nebeneinander existierende Staaten Israel und Palästina beginnen. Zugleich betonte er: »Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Auffassung, dass die Anerkennung eines palästinensischen Staates am Ende und nicht am Anfang solcher Verhandlungen stehen muss.«

»Statt klare Grenzen zu ziehen, legitimiert der Kanzler eine Politik, die internationales Recht missachtet und Frieden unmöglich macht.«

Nicole Gohlke Bundestagsabgeordnete (Linke)

Netanjahu stellte daraufhin klar, Israel werde keinen neuen Staat dulden, der die Zerstörung Israels zum Zweck habe. Er stellte zugleich klar, dass Israel die volle Kontrolle über das Territorium vom Jordan-Fluss bis zum Mittelmeer behalten werde, also »from the river to the sea, nur eben auf israelisch«, wie ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese am Sonntagabend konstatierte. Dies ließ Merz unwidersprochen stehen.

Beide Regierungschefs beschworen die besondere Partnerschaft zwischen beiden Ländern. »Ich komme als ein Freund des Landes, als ein Freund Israels, der weiß, dass die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel unendlich wertvoll und kostbar ist«, sagte Merz. Ins Gästebuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem schrieb er, das Einstehen Deutschlands für die Sicherheit Israels gehöre »zum unveränderlichen Wesenskern« der Beziehungen beider Länder. »Das gilt für heute, das gilt für morgen und das gilt für immer.«

Netanjahu sprach von einem »historischen Wandel« der Beziehungen beider Länder und hob dabei die Zusammenarbeit im Rüstungsbereich hervor. Diese umfasst nicht zuletzt in erheblichem Umfang deutsche Importe israelischer Rüstungsgüter. »Nicht nur Deutschland arbeitet für die Verteidigung Israels, sondern Israel, der jüdische Staat, arbeitet 80 Jahre nach dem Holocaust für die Verteidigung Deutschlands«, sagte Netanjahu dazu. Er spielte damit vor allem auf das gerade in Betrieb genommene israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3 an, das Deutschland vor russischen Raketenangriffen schützen soll.

Merz war der erste Regierungschef eines größeren europäischen Landes, der in diesem Jahr Israel besuchte. Deutschland gilt neben den USA als wichtigster Verbündeter der israelischen Regierung, von der sich inzwischen auch die meisten europäischen Regierungschefs distanzieren.

Immerhin: Am Samstag hatte Merz bei einem Besuch in Jordanien gemahnt, es dürfe »keine Annexionsschritte im Westjordanland geben«. Ultrarechte Mitglieder der Regierung Netanjahu arbeiten derzeit mit konkreten Maßnahmen genau darauf hin, das Gebiet am Jordanfluss zu vereinnahmen. Dort leben mittlerweile rund 700 000 jüdisch-israelische Siedler. Netanjahu sagte, es gebe keine Annexionspläne »in nächster Zeit«.

Ursprünglich wollte Merz sich auch mit Akteuren der israelischen Zivilgesellschaft treffen. Dazu kam es jedoch nicht.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.