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Die EU als Feindbild der USA

Donald Trumps Nationale Sicherheitsstrategie hat die Schwächung der Europäischen Union zum Ziel

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.
In Zeiten von Trump und Co. muss EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bisweilen als Hoffnungsträgerin herhalten. Bei der Plakataktion im November in Brüssel ging es um ein neues Regelwerk für Digitales.
In Zeiten von Trump und Co. muss EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bisweilen als Hoffnungsträgerin herhalten. Bei der Plakataktion im November in Brüssel ging es um ein neues Regelwerk für Digitales.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, die US-Präsident Donald Trump skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen, waren vorgewarnt. Im Februar dieses Jahres hatte J.D. Vance auf der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz schwere Vorwürfe gegen sie erhoben. Der US-Vizepräsident beklagte den »Verlust von Demokratie und Meinungsfreiheit« in Staaten der EU. Vance kritisierte, dass Abgeordneten, die populistische Parteien sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite vertreten und Millionen Wähler hätten, die Teilnahme an Gesprächen bei der Konferenz in der bayerischen Landeshauptstadt verboten worden sei. Er meinte damit offensichtlich vor allem die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), deren Vertreter nicht nach München eingeladen worden waren.

Zehn Monate später haben die Worte von Vance Eingang in die Nationale Sicherheitsstrategie der USA gefunden. Dort steht, dass oppositionelle Kräfte in der EU unterdrückt würden. Als Wurzel allen Übels macht die US-Regierung unter anderem das angeblich mangelhafte Vorgehen europäischer Staaten gegen die »Massenmigration« und die »Ideologie des Klimawandels« aus. Trump lobt sich außerdem in dem Papier dafür, »radikale Gender-Ideologie« und »Woke-Wahnsinn« aus den US-Streitkräften entfernt zu haben. Im Mai hatte das US-Verteidigungsministerium bis zu 1000 Menschen aus der Armee entlassen, die sich als transgeschlechtlich bekannt hatten.

Angesichts der Begeisterung von Trump für politische Kräfte, die ebenso wie er gegen Asylbewerber, Umweltschutz und gesellschaftliche Minderheiten hetzen, sehen sich nicht wenige Staaten der EU und Institutionen des Staatenverbundes bedroht. Sie fürchten, dass die US-Administration verstärkt Einfluss in Europa nehmen könnte. Der sozialdemokratische Präsident des Europäischen Rats, der Portugiese António Costa, erklärte zu Beginn der Woche, dass ein solches Vorgehen der Vereinigten Staaten eine Drohung sei, »die wir nicht akzeptieren können«.

Dabei wäre die Einflussnahme durch die USA in Europa kein neues Phänomen. Transatlantische Vereine spielen beispielsweise in Deutschland seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle. So fördert etwa die Atlantik-Brücke, in der transatlantische Eliten miteinander vernetzt werden, junge und aufstrebende Führungskräfte, die sich den Zielen des Vereins, also der engen außenpolitischen Anbindung der Bundesrepublik an die USA und an die Nato, verpflichtet fühlen. Bisherige Teilnehmende des Programms der Atlantik-Brücke waren etwa der spätere Springer-Chef Mathias Döpfner und die ehemalige Bundesaußenministerin Annalena Baerbock.

Personen des öffentlichen Lebens, die nun in der US-Strategie als »unterdrückte Oppositionelle« beschrieben werden, hätten hingegen unter den jetzigen Umständen aus politischen Gründen keine Chance in Vereinen wie der Atlantik-Brücke. Das gilt auch für Projekte der Open Society Foundations von George Soros, die in Europa und insbesondere im postsowjetischen Raum nach eigenen Angaben zu demokratischen und pluralistischen Gesellschaften beitragen sollen. In seinem Heimatland spendet der Milliardär riesige Summen an die Demokratische Partei der Vereinigten Staaten.

Trump und seine Republikaner müssten also eigene Stiftungen und Vereine aufbauen, die mit den bestehenden Institutionen konkurrieren können. An einem internationalen Netzwerk arbeiten sie bereits. In den vergangenen Jahren waren Trumps Verbündete aus unterschiedlichen Ländern der Welt zur CPAC (Conservative Political Action Conference) in die USA eingeladen worden. Prominente Gastrednerin war in diesem Jahr die AfD-Vorsitzende Alice Weidel, in den Vorjahren sprachen dort unter anderem der argentinische Präsident Javier Milei, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Viktor Orbán. Das Land des ungarischen Regierungschefs war Gastgeber der vierten europäischen Ausgabe der CPAC im Juni dieses Jahres. Orbán lobte auf der Konferenz sein Idol aus Washington und sprach von einem »Trump-Tornado«. Vertreten waren neben der AfD auch Spaniens Vox und die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), der slowakische Ministerpräsident Robert Fico und der inzwischen erneut zum tschechischen Premier gewählte Andrej Babiš.

Orbán hat aufgebaut, was auch Trump bräuchte, um die politische Landschaft in Europa langfristig und nachhaltig zu beeinflussen. So finanziert die ungarische Regierung Institutionen wie das Mathias Corvinus Collegium (MCC), eine Bildungseinrichtung für Begabtenförderung und Denkfabrik, die im Ruf steht, zukünftige Eliten hervorzubringen sowie ein internationales rechtes Netzwerk in Europa zu etablieren. Das MCC ist in verschiedenen europäischen Ländern aktiv, hat etwa eine Wiener Privatuniversität übernommen und unterhält internationale Kooperationen.

Ein Blick auf die Teilnehmenden an den CPAC-Treffen zeigt, dass einige Trump-Fans in Staaten der EU bereits an der Macht sind und Regierungschefs stellen, nämlich in Ostmitteleuropa und in Italien. Je stärker sie auch in anderen europäischen Ländern werden, desto größer dürften auch die Konflikte innerhalb des Staatenverbundes zwischen den eher liberalen und den rechten Kräften werden.

Der Nationalismus der »patriotischen Parteien«, wie die Rechten in der Sicherheitsstrategie der USA genannt werden, wirkt wie ein Spaltpilz in der Europäischen Union und könnte sogar zu einer Zerstörung des Staatenverbundes führen. Zwar wird in der US-Sicherheitsstrategie die Rolle eines »starken Europas« betont, aber die Europäische Union und transnationale Organisationen dafür verantwortlich gemacht, politische Freiheit und Souveränität zu untergraben. Somit hat Trump die Europäische Union zu seiner Feindin erklärt.

Eine weitere Schwächung oder gar eine Zerstörung der EU in ihrer jetzigen Form würde dem US-Präsidenten gelegen kommen. Ihm geht es dabei nicht in erster Linie um ideologische Gründe. Für die USA ist es wirtschafts- und geopolitisch von Vorteil, wenn die EU nicht mit einer Stimme spricht. Ohne ernsthafte Konkurrenz bliebe Trump der mächtigste Politiker des Westens. Zurzeit nutzt er diese Rolle, um brüchige Friedensabkommen zwischen Staaten, wie jüngst zwischen Kongo und Ruanda, zu vermitteln und im Gegenzug den Zugriff auf Märkte oder Rohstoffe zu erhalten.

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