Moderne Sklaven hinterm Lenkrad

Kralowetz-Fahrer in Luxemburg gestrandet

  • Ralf Klingsieck, Luxemburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Hunderte Lkw-Fahrer sitzen seit Tagen in Luxemburg fest und warten auf ihren Lohn. Der Ausgang des Verfahrens gegen deren Firma Kralowetz ist offen.
Der Parkplatz am Stadtrand von Luxemburg zeigt ein ungewöhnliches Bild. Hunderte Lastwagen der österreichischen Spedition Kralowetz sind hier in Reih und Glied abgestellt. Die Justizbehörden haben die in verschiedenen Ländern Westeuropas gestrandeten Fahrer - zumeist aus Osteuropa - aufgefordert, sich hier einzufinden. Der offizielle Firmensitz ist in Luxemburg, hier sind die Lastwagen registriert und hier ermittelt die Justiz gegen das Unternehmen, das seinen Gewinn aus billiger Sklavenarbeit von Fahrern zog. In der Europäischen Union sind Sozialdumping und extreme Ausbeutung im Straßentransport keine Seltenheit, doch andere Unternehmer sind geschickter und nutzen Grauzonen und Lücken in der Gesetzgebung aus.
So sind überall in Europa und bis in den Mittleren Osten tausende Mercedes-Lastzüge mit dem blau-gelben Schriftzug der deutschen Firma Willi Betz unterwegs, hinter deren Lenkrad Bulgaren sitzen, die für einen Bruchteil des in Westeuropa üblichen Lohns arbeiten. Aber Betz wäscht seine Hände in Unschuld: Er hat vor Jahren das bulgarische Staatsunternehmen für internationalen Straßenverkehr aufgekauft. Seine Lkw sind in Bulgarien registriert und die Fahrer werden dort - vergleichweise billig - versichert und entlohnt. Kralowetz ging da brutaler vor und verstieß gleich reihenweise gegen die relativ laschen EU-Vorschriften.

Systematischer Bruch der Vorschriften
Insgesamt 750 Fahrer wurden jeweils mit Drei-Monate-Touristen-Visa ins Land geholt, nicht sozialversichert, zum systematischen Bruch der Vorschriften über Fahr- und Ruhezeiten angehalten und dann zu Stundensätzen von weniger als fünf Euro entlohnt. Es waren nicht zuletzt Hinweise aus den durch das Dumping benachteiligten Konkurrenzunternehmen, die die Ermittlungen in acht europäischen Ländern ausgelöst haben, die vom Hauptzollamt im deutschen Rosenheim koordiniert wurden. Auf dessen Rechtshilfeersuchen wurde Firmenchef Karl Kralowetz in Luxemburg verhaftet und die Polizei stellte bei einer Razzia im Firmensitz in Esch-sur-Alzette mehrere Lastwagenladungen Beweismaterial sicher.
Nach Angaben von John Castegnaro, Vorsitzender des luxemburgischen Gewerkschaftsverbandes OGBL, hat die Transportgewerkschaft OGBL-Acal seit zehn Jahren auf Sklavenhalterpraktiken im Straßentransport aufmerksam gemacht und darauf verwiesen, dass solche Firmen nur zu oft Luxemburg als Sitz wählen, weil hier die Vorschriften besonders lasch sind. »Kralowetz ist nur die Spitze eines Eisberges«, unterstrich er. Doch trotz aller Appelle seien weder dieses noch vergleichbare Unternehmen vom Transportministerium oder der Gewerbeinspektion behelligt worden.

Luxemburgs Regierung bekam Druck aus Wien
Darüber hinaus ist das luxemburgische Transportministerium durch die Regierung in Wien unter Druck gesetzt worden, dafür zu sorgen, dass einem sich dynamisch entwickelnden Unternehmen nicht unnötig Steine in den Weg gelegt werden. Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler verfügte Kralowetz in Luxemburg über ein Geflecht von acht ineinander verschachtelten Firmen. Von den Mitarbeitern waren nur 25 sozialversichert, darunter die fünfköpfige Unternehmensleitung. Die meisten Fahrer wurden dagegen in den Büchern als »selbstständige Subunternehmer« geführt. In Luxemburg hatte Kralowetz nur Büros, jedoch weder Parkplätze noch Firmengelände, geschweige denn Sozialgebäude mit Waschräumen für die Fahrer, die unter unmöglichen hygienischen Bedingungen monatelang im Fah-
rerhaus ihres Lastwagens übernachteten.
Während die luxemburgischen Gewerkschaften in Zusammenarbeit mit den Behörden und der Justiz versuchen, für die seit drei Monaten nicht mehr entlohnten Fahrer unbürokratisch wenigstens einen Teil der ausstehenden Löhne aus der Konkursmasse zu retten, werden die völlig mittellosen Fahrer vom Roten Kreuz und der Caritas untergebracht und verpflegt. Der OGBL hat in einem offenen Brief an das Transportministerium appelliert, »Verantwortung zu übernehmen und eine Katastrophe zu verhindern«.
Gewerkschaftssekretär Hubert Hollerich ist davon überzeugt, dass es keine Lösung wäre, die Fahrer einfach nach Osteuropa abzuschieben, zumal auf dem Arbeitsmarkt in Westeuropa Mangel an Lastwagenfahrern herrscht. »Wir plädieren für eine kontrollierte Öffnung des Arbeitsmarktes im Transportsektor für Beschäftigte aus Drittländern.« Die müssten dann allerdings streng nach den geltenden Gesetzen beschäftigt werden. Hollerich kritisierte das Konzept von der »Festung Europa« und trat dafür ein, dass sich die Fahrer hier eine geordnete Existenz aufbauen können, um so mehr als sie aus Ländern kommen, die ohnehin früher oder später zur EU gehören werden.

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