»Aktivrente« könnte Löhne drücken

Durch mehrere Maßnahmen sollen die Arbeitszeiten im Alter verlängert werden. Ob diese zielführend sind, ist unklar

Die Maßnahmen zur Arbeitszeitverlängerung könnten sich negativ auf alle Löhne auswirken.
Die Maßnahmen zur Arbeitszeitverlängerung könnten sich negativ auf alle Löhne auswirken.

Mit der sogenannten Aktivrente und vereinfachten Befristungsmöglichkeiten will die Bundesregierung Erwerbsarbeit im Alter fördern und so den Fachkräftemangel verringern. Im schlechtesten Fall könnten die Maßnahmen dazu führen, dass Arbeitgeber die Löhne von Personen im Rentenalter drücken, fürchten Florian Blank und Wolfram Brehmer vom Wirtschaftlichen und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Zumal, so zeigt ihre neue Studie, eine »Aktivrente« gar nicht notwendig ist. Das ergaben Befragungen unter Betriebs- und Personalräten. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen gaben demnach an, dass Menschen bei ihnen bereits über das Renten- oder Pensionsalter hinaus berufstätig sind. Ob sich das durch eine »Aktivrente« steigern würde, ist Blank und Brehmer zufolge fraglich. Insbesondere da viele Beschäftigte lieber früher als später in den Ruhestand wechseln würden.

»Tatsächlich ist die (Weiter-)Beschäftigung Älterer in Betrieben bereits heute ohne größere rechtliche Hürden möglich – auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze beziehungsweise bei Bezug einer Altersrente«, schreiben die beiden in der Studie.

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Die Idee, Menschen längeres Arbeiten zu ermöglichen, ist nicht neu. Bereits während der Ampel-Regierung und in der Ära Merkel wurde Derartiges gefordert. Dafür ergriffen die Vorgänger-Regierungen bereits diverse Maßnahmen – wie die Aufhebung der Zuverdienstgrenzen bei Bezug einer vorgezogenen Altersrente. Ältere arbeiten zudem, auch mit Blick auf die Beschäftigungszahlen, bereits länger als je zuvor. »Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwiefern die geplanten Maßnahmen notwendig und sinnvoll sind«, so Blank und Brehmer.

»Die derzeit diskutierten Maßnahmen bergen aber die Gefahr, dass mit ihnen ein neuer, zweitklassiger Arbeitnehmer*innenstatus geschaffen wird.«

Florian Blank und Wolfram Brehmer Hans-Böckler-Stiftung

Etwa 55 Prozent der mitbestimmten Betriebe beschäftigen laut Studie bereits Rentner*innen und Pensionär*innen. 86 Prozent der befragten Betriebs- und Personalräte gaben als Grund dafür an, das Wissen und Fähigkeiten der Älteren weiter gebraucht würden. Knapp 57 Prozent gaben an, dass keine anderen Arbeitskräfte verfügbar gewesen seien, und fast ebenso viele, dass sich Rentner*innen und Pensionär*innen flexibel einsetzen ließen.

Dem derzeitigen Entwurf des Gesetzes zur »Aktivrente« zufolge sollen Beschäftigte nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters bis zu 2000 Euro steuerfrei verdienen können. »Die derzeit diskutierten Maßnahmen bergen aber die Gefahr, dass mit ihnen ein neuer, zweitklassiger Arbeitnehmer*innenstatus geschaffen wird«, schreiben Blank und Brehmer. Rentner*innen und Pensionär*innen könnten künftig arbeitsrechtlich weniger Schutz erfahren. Rente oder Pension könnten in Verbindung mit der Steuererleichterung als eine Art Kombilohn wirken und so die Löhne aller drücken.

»Anstelle der geplanten Änderungen, deren Wirkungen völlig unklar sind und die für den Staatshaushalt eine deutliche Belastung darstellen können, sollte der Fokus auf gute Arbeit, auf die Gesundheit der Beschäftigten und auf Anerkennung ihrer Leistungen gelegt werden«, fordert Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des WSI, in einer Presseaussendung.

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