Keine Experimente!

Weihnachten im Fernsehen für den konservativen Geschmack

  • F.-B. Habel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Deutschen fühlen sich wieder mehr zur Religion hingezogen, wurde gerade gemeldet. Kein Wunder. So war es in schlechten Zeiten immer. Da verwundert es, dass Bibelfilme zu diesem Weihnachtsfest bis auf eine Ausnahme (Hessischer Rundfunk) in die Vormittagsprogramme abgeschoben wurden. Doch das kann ja zu Ostern wiedergutgemacht werden. Trotzdem bleibt das Festtagsprogramm konservativ.

Strahlender Sieger unter den Wiederholungen des Weihnachtsprogramms ist der Märchenfilm »Drei Haselnüsse für Aschenbrödel«, den die DEFA vor 35 Jahren gemeinsam mit dem Prager Barrandov-Studio in Böhmen, Babelsberg und auf Schloss Moritzburg drehte. Er bringt es an den drei Festtagen auf 9 Ausstrahlungen. »Immer wieder sehenswert«, urteilt eine Fernsehillustrierte, aber ob das auch gilt, wenn der WDR den Film gleich dreimal sendet?

Damit sind zwei Haupttendenzen des Weihnachtsprogramms benannt. Offenbar will man zum Fest Familien nicht entzweien und wiederholt, was sich bewährt hat und breiten Zuspruch findet. »Keine Experimente!«, hieß es in der Adenauer-Ära, und so werden Filme aus diesen Jahren wieder hervorgekramt. Allein achtmal kann man Heinz Rühmann, den das ZDF in diesem Jahr als beliebtesten deutschen Schauspieler aller Zeiten kürte, bewundern – überwiegend in der ARD. Auf seine Filme aus der Goebbels-Ära wird diesmal verzichtet.

Aber auch die Freunde von Heinz Erhardt oder Agnes Windeck kommen auf ihre (durch die Gebühren beglichenen) Kosten. Das Bayernfernsehen holt für einen ganzen Abend O. W. Fischer aus der Mottenkiste und arte revanchiert sich mit Pierre Brice. Aber alle anderen üblichen Verdächtigen sind auch wieder da: Laurel & Hardy, die Olsenbande, Alfred Hitchcock und Agatha Christie, Momo, Loriot, Heidi, und die Mädels vom Immenhof. Nur auf Sissi müssen wir in diesem Jahr verzichten.

Die Tendenz zum Althergebrachten zeigt sich auch darin, dass die »Ostsender« MDR und RBB wieder einige Produktionen des DDR-Fernsehens hervorgeholt haben, die die Gegenwart der hoffnungsvollen siebziger Jahre zurückholen. »Spuk unterm Riesenrad« läuft als Serie, Maxe Baumann macht seine Späße, und zur »Primetime« wird daran erinnert, dass Gesine Lötzsch die gute, alte »Schwester Agnes« als Vorbild für »Neuerungen« der heutigen Gesundheitspolitik ausgemacht hat.

Die andere Tendenz im Weihnachtsprogramm ist die Zunahme der Ausstrahlung von DEFA-Märchenfilmen. Im gegenwärtigen Fernsehangebot für Kinder sind DEFA-Filme neben einigen Astrid-Lindgren-Wiederholungen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern führend. Während früher in den Ferien gern auf die verstaubten Produktionen von Fritz Genschow & Co. aus den vierziger und fünfziger Jahren zurückgegriffen wurde, sind nun wieder Schneeweißchen und Rosenrot oder Schneewittchen aus Babelsberger Produktion zu sehen.

Als in den fünfziger Jahren einem jungen DEFA-Regisseur als Debütfilm »Das tapfere Schneiderlein« angeboten wurde, übersiedelte er spornstreichs in den Westen. Man habe von ihm verlangt, dass das Schneiderlein die Prinzessin verjagt und eine einfache Magd heiratet, gab er empört zu Protokoll. Der Film wurde trotzdem gedreht, und macht trotz seiner vulgär-marxistischen Sicht auch zu Weihnachten 2007 vielen Kindern Spaß.

Ansonsten scheinen die Programmmacher den Kampf mit den anderen Unterhaltungsmedien aufgegeben zu haben. Wer kann, greift lieber zur Playstation oder surft im Internet. Was er dann an Neuem verpasst, ist nicht der Rede wert, denn es ist eigentlich auch das Alte. Neben einigen Unterhaltungssendungen, in denen sich Alt-Stars wie Frank Schöbel, André Rieu oder Gaby Dohm präsentieren, gibt es die Erstsendungen von Filmen, die schon im Kino liefen oder den Wiederaufguss von »Lassie« oder dem »Traumschiff«.

Da mutet es schon revolutionär an, dass arte einen rund achtzig Jahre alten Stummfilm in einer Fassung präsentiert, die einen besonderen Genuss verspricht. Für die Uraufführung des »Rosenkavalier«-Films in der Dresdner Semperoper hatte Richard Strauss eine Original-Filmmusik geschrieben, die jetzt zu der restaurierten Fassung des Streifens am Ort der Premiere noch einmal erklang. Doch während arte die verdienstvolle Wiederaufführung am Heiligabend auf kurz vor Mitternacht angesetzt hat, wartet 3sat damit sogar bis 2 Uhr früh.

Wer einen Video-Recorder oder eine Festplatte hat, sollte sich Andrej Michalkow-Kontschalowskis »Sibiriade« von 1979 (25.12. 2.15 Uhr) aufzeichnen. Russland-Fans kommen übrigens auch im Ersten auf ihre Kosten, das Albrecht Reinhardts Reisereportage »Auf der Transsib« in zwei Teilen bietet. Vielleicht finden sich hier Kontroversen unserer Zeit, auf die das Programm ansonsten verzichtet.

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