Hilfe ist Sache persönlicher Courage

IPPNW-Tagung zu Gesundheitsversorgung für Papierlose und EU-Kontrollvorhaben

  • Birgit von Criegern
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz eines Prüfauftrages, den sich die Große Koalition zum Thema »Illegalität« selbst verordnet hatte, hat sich die Lage betroffener Migranten nicht gebessert. Und immer noch sind es vor allem Nichtregierungsorganisationen, die sich ihren Nöten widmen.

Ein Tuberkulose-Kranker ohne Papiere wird im Krankenhaus behandelt. Nach der Entlassung erhält er die Aufforderung der Ausländerbehörde, sich unverzüglich zu melden. Noch nicht ganz kuriert, verläßt der Mann mit seiner Familie die Wohnung und taucht unter. Von diesem Fall berichtete Dr. Cornelia Goesmann, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer auf einer Tagung der »Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges« (IPPNW). »Menschenrechte für Migranten ohne Papiere« war das Thema am Sonnabend in der Heilig-Kreuz-Kirche in Berlin-Kreuzberg. Für die Ärzte der Tagung ging es darum, »unsere humanitäre Pflicht wahrzunehmen, und ungeachtet der Person und der Lebensumstände eines Patienten bestmögliche medizinische Versorgung zu geben«, wie Goesmann sagte.

Im Brennpunkt bleibt die Forderung, für Illegalisierte gesetzlichen Zugang zu Gesundheitsversorgung zu schaffen. Notwendig sei, endlich die Meldepflicht von Krankenhäusern und Ämtern an die Behörden abzuschaffen. Bislang ist kein Land in Sicht: Trotz des Appells der Bundesärztekammer blieb diese Pflicht im »Prüfbericht Illegalität« des Innenministeriums im Februar 2007 unangetastet. Verweigert blieb auch eine staatliche Kostenregelung, wenn sich Papierlose in die Obhut eines Arztes begeben. Rund 1000 Flüchtlinge werden etwa im Berliner Büro für medizinische Flüchtlingshilfe jährlich behandelt oder an Fachärzte überwiesen. Gesichert wird das Projekt durch Spenden. Teure Leistungen wie Nierentransplantationen sind »nicht drin«. Im Blick blieb für die 250 Versammelten aus zahlreichen Hilfsorganisationen eine weitere Vernetzung.

Eine kritische Sicht auf »Zirkuläre Migration und befristetes Arbeitsrecht« gab der Ethnologe Norbert Cyrus von der Universität Oldenburg. Um auf papierlose Arbeitsmigranten zu reagieren, sollen laut dem »medial hochgehaltenen EU-Konzept« mehr legale Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden – befristet. Besonders Frankreich und Deutschland gehörten zu den Befürwortern.

Cyrus wandte ein, dass die noch im UN-Bericht »Migration in einer vernetzten Welt« als »zirkulär« bezeichnete Wanderarbeit nun seitens der EU zum Steuerungsziel gerate. Sollten Migranten laut einem EU-Kommissionsentwurf vorübergehende Arbeitsangebote erhalten, sei zugleich vorgesehen, dass die Beschäftigten stark rotieren. Deshalb sagt der EU-Entwurf auch sehr deutlich, dass die Rückkehr durchgesetzt werden müsse, so Cyrus. Geplant seien hierzu Abkommen zwischen EU und den Entsendeländern. »Was Mobilitätspartnerschaft betitelt wird, sieht eher nach Mobilitätskontrollpartnerschaft aus.« Ohne Rücksicht auf die Interessen der Arbeitnehmer würden diese zu »einer Art Schubmasse.« Mit keinem Wort gehe die Kommission auf Mehrfachvisa oder doppelte Staatsbürgerschaften ein.

»Die Idee, die Bewegung von Menschen im globalen Maßstab steuern zu wollen, trägt letztendlich totalitäre Züge«, äußerte sich dazu auch Bernd Mesovic von Pro Asyl. Er sprach über die fortgesetzte Abschottungspolitik der EU und berichtete von den systematischen Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen durch die griechische Küstenwache.

Büro für medizinische Flüchtlingshilfe Berlin, Gneisenaustr. 2a, Tel. 030-69 46 746; Medi-Netz Mainz, Medizinische Vermittlungsstelle der IPPNW-Studierendengruppe Mainz, 06131 2052015


Ohne Papiere, keine Rechte

In Deutschland leben 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund.

Der Anteil ausländischer Staatsangehöriger an der Gesamtbevölkerung liegt bei 8,8 Prozent.

Sieben von zehn ausländischen Bürgerinnen und Bürgern leben seit acht oder mehr Jahren in Deutschland.

Gesicherte Zahlen über Illegalisierte in Deutschland gibt es nicht, die Angaben schwanken zwischen einigen Hunderttausend bis zu einer Million Menschen.

Behörden sind verpflichtet, ihnen bekannt werdende Personen den Ausländerbehörden zu melden.

Im Mai 2006 schuf die Bundesregierung in Berlin das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM); Ziel ist die Bündelung beteiligter Behörden und Stellen bei der Bekämpfung der illegalen Migration.

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