»Bio-PVC« aus Zucker und Salz

Dioxin-Skandal-Firma in Brasilien steigt ins Ethanolgeschäft ein

  • Norbert Suchanek,
  • Lesedauer: 2 Min.
Rio de Janeiro

Der Kunststoff PVC (Polyvinylchlorid) ist seit Jahrzehnten für Umweltgruppen ein rotes Tuch. Sie sehen die Produktion und Entsorgung von PVC als bedeutende Quelle hochgiftiger Dioxine. Nun will das Chemie-Unternehmen Solvay Indupa dem Ganzen einen grünen Anstrich geben und erstmals PVC aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen.

Mit einer Endkapazität von 360 000 Tonnen pro Jahr ist die Anlage von Solvay Indupa klein – gemessen an der weltweiten Jahresproduktion von 26 Millionen Tonnen PVC. Der Mehrheitseigner des brasilianischen Unternehmens, der belgische Solvay-Konzern, plant ein PVC-Produkt, das er als »PVC Verde« anpreist. Übersetzt bedeutet das soviel wie »Bio-PVC«. Das »Bio« rechtfertigt das Unternehmen damit, dass es zur Herstellung des Produkts den aus Zuckerrohr gewonnenen Rohstoff Ethanol verwenden will. »Diese Innovation wird den Ausstoß einer großen Menge Kohlendioxid in die Atmosphäre verhindern«, so die Firmenpropaganda.

Umwelt und einheimische Bevölkerung werden jedoch kaum vom Ethanol-PVC profitieren. Denn auch die Produktion von Zuckerrohr-Ethanol ist durch die verfügbaren Nutzflächen beschränkt. Die rasant wachsende Nutzung als Basis für Biotreibstoff treibt Pestizideinsatz und Wasserverbrauch in die Höhe. Zudem ist die Verwendung von Agrarprodukten für Biotreibstoffe ein wichtiger Preistreiber für Nahrungsmittel, was vor allem Menschen mit geringen Einkommen betrifft.

Auch weitere nachwachsende Rohstoffe, etwa Flachs, verteuern sich infolge der Konkurrenz um geeignete Böden. »Auch am Flachsmarkt sind die unmittelbaren Auswirkungen der Flächenkonkurrenz zwischen energetischer und stofflicher Nutzung landwirtschaftlicher Flächen nicht spurlos vorüber gegangen: Es ist ein Rückgang der Flachsanbaufläche im Frühjahr 2007 zu verzeichnen«, hieß es auf einer Tagung zu Faserpflanzen aus ökologischem Anbau im letzten Jahr.

Wenn Agrarflächen nun auch noch zur Herstellung von Kunststoffen herhalten müssen, wird der Druck auf Nahrungsmittelpreise und auf noch nicht ausgebeutete Ökosysteme zur Ausweitung der Plantagen noch weiter erhöht. Zu misstrauen ist dem Vorhaben jedoch noch aus anderem Grund: Dieselbe belgische Firma, die nun das »PVC Verde« zusammen mit BASF in Brasilien auf den Markt bringen will, war 1999 Urheber eines massiven Dioxinskandals. Lebensmittelkontrolleure entdeckten in belgischen Nahrungsmitteln extrem hohe Konzentrationen an Dioxinen. Ursache waren als Tierfutter deklarierte Zitrusabfälle aus Brasilien, die mit Kalk aus Santo André neutralisiert wurden. Problem: Der Kalk war hochgradig mit Dioxinen der PVC-Produktion von Solvay Indupa belastet. Das biologische Institut des Bundesstaates von São Paulo berichtete damals von 1,4 Millionen Tonnen mit Dioxinen belastetem Kalk, der von der seit 1948 in Santo André arbeitenden Firma bei der PVC-Herstellung angefallen war und irgendwie entsorgt werden musste.

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