Polizeigewalt mit Todesfolge

2006 töteten Beamte Dominique Koumadio – einen Prozess gab es nie

  • Steffi Holz
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Vorwurf rassistischer Gewalt von Polizeibeamten wird immer wieder erhoben. Doch die Justiz scheint dies nicht besonders ernst zu nehmen.

Mit 14 floh Dominique Koumadio aus Kongo. Auf der Suche nach einem besseren Leben kam er nach Deutschland. Nach Jahren der Ungewissheit wurde ihm schließlich Asyl gewährt. Kurz danach starb er in Dortmund durch die Schüsse eines Polizisten. Seitdem verlangen Angehörige und Menschenrechtsgruppen, dass ein Gericht die Umstände seines Todes klären soll. Sie wollen wissen, warum zwei ausgebildete Polizisten einen schmächtigen jungen Mann nicht hatten überwältigen können und ihm aus mehreren Metern Entfernung direkt ins Herz geschossen wurde. Die Staatsanwaltschaft erklärt, es habe sich um Notwehr gehandelt und lehnt einen Prozess ab.

Um der Forderung nach einer Untersuchung Nachdruck zu verleihen, ruft die »Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen« am morgigen Sonnabend zu einem Tribunal in der Dortmunder Innenstadt auf. Gleichzeitig richtet sich die öffentliche Anklage »gegen rassistische Polizeibrutalität« und prangert zahlreiche Fälle an, in denen MigrantInnen in Deutschland Opfer von Polizeiübergriffen wurden und dabei ihr Leben ließen. So starb vor drei Jahren Laye Kondé aus Sierra Leone in Bremer Polizeihaft nach einem gewaltsamen Brechmitteleinsatz. Bereits drei Jahre zuvor hatte es in Bremen einen ähnlichen Todesfall gegeben. Amir Ageeb erstickte 1999 qualvoll in dem Flugzeug, mit dem er abgeschoben werden sollte, als Polizeibeamte den gefesselten Mann am Schreien hindern wollten.

Nur selten wird, wie im Fall des Todes von Oury Jalloh, Anklage erhoben. Er verbrannte am 7. Januar 2005 unter mysteriösen Umständen in einer Dessauer Polizeistation. Durch öffentlichen Druck wurde schließlich nach 27 Monaten der Prozess gegen zwei beteiligte Polizeibeamte aufgerollt und läuft bis heute. BeobachterInnen kritisieren allerdings, dass das Opfer dabei zum Täter gemacht werde und berichten von Prozessverschleppung, verschwundenen Beweismitteln und Widersprüchen, die von der Staatsanwaltschaft übergangen werden.

Den Zusammenhang von Polizeigewalt und deren mangelhafter Ahndung hat Amnesty International bereits in seinem Deutschlandbericht von 2004 bestätigt. Darin wurden »Misshandlungen und exzessive Gewaltanwendung durch Polizeibeamte« als strukturelles Problem dokumentiert. Insbesondere Ausländer und Deutsche ausländischer Herkunft erheben demnach Vorwürfe. Verfahren würden trotz »schwerwiegender Hinweise auf Misshandlungen« meist eingestellt. Kommt es doch zum Prozess, »scheinen die Staatsanwaltschaften häufig geneigt, der Darstellung der involvierten Polizeigbeamten eher Glauben zu schenken«. Die Tendenz zu milden Strafen für die Beamten steht für die Betroffenen in krassem Gegensatz zur Schwere der erlittenen Gewalt.

Auch das Antifolterkomitee des Europarates kritisierte »übermäßige Gewaltanwendung durch Polizeibeamte«. 2006 legte es dem Justizministerium einen entsprechenden Bericht vor, der Schläge und Tritte bei Festnahmen, länger andauernde Fesselungen und verbale Beschimpfungen auflistet.

Der UN-Menschenrechtsausschuss und deutsche Menschenrechtsorganisationen fordern seit Jahren eine unabhängige Kontrolle der Polizei. In Sachsen-Anhalt kündigte der Innenmimister Holger Hövelmann (SPD) kürzlich an, im Zusammenhang mit polizeilichem Fehlverhalten eine Beschwerdestelle einzurichten. Das kann den Tod von Laye Kondé, Amir Ageeb, Oury Jalloh und anderen zwar nicht ungeschehen machen, aber die Aufklärung dieser Todesfälle und das Anprangern rassistisch motivierter Polizeigewalt braucht eine kritische Öffentlichkeit.

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