Im mecklenburgischen Lübz wird immer noch Bier gebraut, im vorpommerschen Neubrandenburg nicht mehr.
Der Hamburger Unternehmer Paul Rothe wurde in dieser Woche im Prinzip frei gesprochen. Die Neubrandenburger Staatsanwaltschaft hatte den Hamburger unter anderem wegen Subventionsbetrugs angeklagt. Er habe Fördermittel erhalten, ohne dass seine Projekte die Vorschriften dafür erfüllten. Rothe hatte die Neubrandenburger Nordbräu GmbH von der Treuhand gekauft.
Nordbräu war ein Produkt der DDR. 1978 begann der Aufbau des Getränkebetriebes und im Prinzip endete er auch in dem Jahr. 1990 wurde festgestellt, dass die nunmehr zwölf Jahre alten Anlagen dringend modernisiert werden müssten. Fachleute gaben damals an, dass 80 Millionen D-Mark nötig wären, den Betrieb auf den nötigen Stand der Technik zu heben. Vom 1. Juli 1990 bis zum 14. März 1991 fuhr die Firma einen Verlust von zwölf Millionen Mark ein. Auch deshalb, weil sich Ostler erst einmal mit West-Produkten versorgten.
Noch im Juli 1990 beschäftigte Nordbräu 1695 Leute und 38 Lehrlinge. Fachleute hielten zu dieser Zeit eine Belegschaftsstärke zwischen 240 und 700 Mitarbeitern für realistisch. Allerdings nur, wenn die Braukapazitäten von 400000 Hektolitern Bier und die Schnapsbrennerei mit rund 30000 Hektolitern ausgeschöpft würden. Die Frage hieß, wer die Millionen Mark für die Investitionen bereit stellt. Der Hamburger Bierhersteller Holsten interessierte sich nur kurzfristig für die Neubrandenburger. Mit Lübz hatte Holsten den ertragreichsten Bierbetrieb im Nordosten gekauft.
Im März 1991 kaufte der Hamburger Unternehmer Rothe die Neubrandenburger Brauerei. Der frühere Geschäftsführer Prochnow sagte aus, dass es dem Hamburger zunächst nur um die Brennrechte gegangen sei. Schnapsbrennrechte haben eine ähnliche Wirkung wie Patente. Sie bringen Geld. Der Zeuge Prochnow gab auch an, dass die Treuhandanstalt den Betrieb nur im Ganzen verkaufen wollte. Auf den Einwand des Hamburgers, das wäre ihm zu teuer, sei ihm von der Treuhand angedeutet worden, dass man sich einigen könne. Zum Kaufpreis stellte der Untersuchungsausschuss des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern fest: »Statt der Erzielung des ursprünglichen Kaufpreises von acht Millionen DM musste die Treuhandanstalt an den Investor vier Millionen DM bezahlen.« Der Käufer hatte nach Angaben des Ausschusses eigene Wirtschaftsprüfer bestellt, die Verluste von 31,5 Millionen Mark bei Nordbräu errechneten. Diese Verlustsumme sei dann während der Kaufgespräche auf 12 Millionen Mark reduziert worden.
Wegen mehrerer Anzeigen aus der Belegschaft begann die Neubrandenburger Staatsanwaltschaft gegen Käufer Rothe aus Hamburg zu ermitteln und erhob im Herbst 2000 Anklage. Der Vorwurf des Betrugs bei Fördermitteln durch den Käufer konnte laut Neubrandenburger Amtsgericht nicht aufrechterhalten werden. Es gab zwar mindestens merkwürdige Vorgänge wie den Verkauf der Bierrechte an die Konkurrenten in Lübz. Erst 1996 wurde per Einzelnachweis mit dazu gehörigen Rechnungen geprüft, für welche Zwecke Fördermittel bei Nordbräu tatsächlich verwendet wurden. 1996 forderte das zuständige Ministerium von Rothe die Fördermittel zurück. Der legte laut Untersuchungsausschuss den Betrieb im Prinzip still und kündigte fast allen Mitarbeitern.
Einen anderen Vorwurf, Betrug bei Verkäufen der Grundstücke von Nordbräu, bewertete das Neubrandenburger Amtsgericht laut »Nordkurier« bis auf einen Fall als verjährt. Insgesamt sei die Beweislage schwierig. In solcher Lage lehnte das Gericht, das Hauptverfahren zu eröffnen.
Torsten Koplin, Abgeordneter der PDS im Schweriner Landtag, bemängelt die fehlende Kontrolle. Erst nach Interventionen aus Neubrandenburg wurde überprüft, wofür Fördergelder tatsächlich dienten. Mit dem nicht aufgenommenen Verfahren sei Rothe »mehr oder weniger trocken durch den Regen gekommen«. Für Koplin zählt vor allem, dass ein weiterer möglicher Industriestandort in Neubrandenburg aufgegeben wurde.
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