Vernetztes Gesundheitswesen
Testregionen für E-Card kämpfen weiter mit technischen Problemen
Die Nachfrage nach privat finanzierten Gesundheitsleistungen steigt und »eigentlich müsste die Branche jubeln«, sagte der Hamburger Experte für Gesundheitswirtschaft, Heinz Lehmann, der für die CDU im sächsischen Landtag sitzt, bei einer Gesundheitskonferenz Anfang April in München. Doch bürokratische Überregulierung verzögere weiter sinnvolle Entscheidungen. In Bayern etwa mischten fünf Ministerien beim Gesundheitsregelwerk mit, so der Professor. Weg von unwirtschaftlicher, kleinteiliger Versorgung und hin zu zentralen Kompetenzzentren, die mit Kliniken in der Fläche vernetzt sind, das ist nach Ansicht Lehmanns der Weg, der das Gesundheitswesen auf Trab brächte.
Fest steht, dass ein direkter Austausch zwischen Klinik, Arztpraxis, Apotheken und Leistungsträgern sowohl Zeit und Geld spart als auch einen schnellen Datenzugriff sichert. Immerhin sterben jährlich allein durch Arzneimittelunverträglichkeit bis zu 20 000 Patienten. »Da besteht Handlungsbedarf«, meinte der Allgemeinmediziner Siegfried Jedamzik, selbst Gründer eines Praxisnetzes. Zusätzlich leitet der Ingolstädter eine der sieben Modellregionen des Zentrums für Telematik im Gesundheitswesen, das eine weitreichende Vernetzung erprobt. Am Ende der langwierigen und kostspieligen Testphase soll die elektronische Gesundheitskarte (E-Card) stehen – mit lückenloser Patientenakte und elektronisch übermitteltem Rezept.
Doch Kritiker fürchten mit dem von der Bundesregierung vorangetriebenen und immer wieder aufschobenen Projekt (zuletzt auf 2011) den »gläsernen Menschen«. 80 Millionen Versicherte, 188 000 Ärzte und Zahnärzte, 21 000 Apotheken sowie 2200 Krankenhäuser, 1300 Reha-Zentren und 310 Krankenkassen sollen per E-Card vernetzt werden. Danach ist die Speicherung unterschiedlicher Patientendaten geplant, von Blutwerten über Operationsberichten bis hin zu EKG- und EEG-Befunden.
Ein kompliziertes Feld, bei dem nicht nur Hard- und Software der Telekommunikation und der Medizintechnik miteinander funktionieren müssen. Siemens Healthcare arbeitet daran seit Jahren. Besondere Sensibilität erfordert auch die Sicherheitsarchitektur in Arztpraxen: »Bisher haben wir noch keine Erfahrungswerte, wie es da um die Datensicherheitsvorrichtungen bestellt ist«, gab Jedamzik zu.
In der ersten Online-Stufe sollen die Stammdaten der Patienten vernetzt werden, die Fragen zu Krankenkasse und Arztbesuch virtuell ermöglichen. Im Test steht zudem der elektronische Arztbrief-Versand von Praxis zu Praxis. Das klingt einfach, erweist sich aber in der Praxis als kompliziert: »Es geht dabei nicht um einen einfachen E-Mail-Austausch«, erklärte Jedamzik. »Hier muss ein rechtsverbindlich unterschriebenes und entsprechend verschlüsseltes Dokument weitergereicht werden.« Kein leichtes Unterfangen bei der Vielzahl an Praxissoftwaresystemen, betonte der Mediziner. In einigen Krankenhäusern steht die E-Krankenakte in der Probephase. Ziel ist der direkte Datenaustausch einzelner Befunde in unterschiedlichen Abteilungen, um doppelte Untersuchungen zu vermeiden.
Vor den weitreichenden Einsparungen stehen allerdings erhebliche Investitionen, so Jedamzik. Allein die mehrjährige Studie zur Vernetzung im Gesundheitswesen habe bisher 115 Millionen Euro gekostet. Dazu komme die Finanzierung einheitlicher Software-Einrichtungen in den Arztpraxen, Krankenhäusern und nicht zuletzt bei den Krankenkassen.
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