Falltests am Computer
Streit um Zulassung von Castorbehältern verschärft sich
Auslöser für die aktuelle Debatte sind von der Bundesregierung eingestandene Probleme bei der Genehmigung des neuen Transportbehälters vom Typ Castor HAW (High Active Waste) 28 M. Hersteller ist die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), ein Tochterunternehmen der vier großen deutschen Stromkonzerne, das auch die Transporte nach Gorleben abwickelt und über weitere Tochterfirmen die Atommüllzwischenlager in Gorleben und Ahaus betreibt.
Die Entwicklung eines neuen Containers war nötig geworden, weil der noch zu transportierende Atommüll aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague wegen des stärkeren Abbrands der Brennstäbe heißer und noch stärker radioaktiv ist als früher. Der HAW 28 M wird derzeit bei der Bundesanstalt für Materialprüfung auf seine Sicherheit getestet. In dem Verfahren hat die Behörde in einem Schreiben an die GNS »Defizite des Antragstellers bei grundlegenden Fragestellungen« bemängelt. Zudem seien Modelle so verändert – im Klartext: manipuliert – worden, dass sie bestimmte Ergebnisse brächten.
Zu weiteren Verzögerungen im Castor-Zeitplan kommt es durch Bauarbeiten in La Hague. Deswegen konnte im vergangenen halben Jahr gar kein Atommüll verladen werden. Allein die Befüllung der neuen Behälter mit jeweils 28 Glasblöcken, in die der Atommüll eingeschweißt ist, soll aber mehr als ein halbes Jahr dauern. Die verkehrsrechtliche Zulassung des Behälters durch die Bundesanstalt für Materialprüfung ist indes nur ein Zwischenschritt im Genehmigungsprozess. Ob darin auch Atommüll transportiert werden darf, muss eine weitere Bundesbehörde, das Bundesamt für Strahlenschutz, entscheiden.
Ursprünglich sollte im Herbst 2009 erstmals hochradioaktiver Schrott in den Castorbehältern nach Gorleben rollen. Dieser Transport wurde inzwischen ersatzlos gestrichen. In diesem Jahr (voraussichtlich im November) soll es allerdings einen Transport ins Wendland geben – in bereits genehmigten Containern. Atomkraftgegner verlangen die Absage auch dieser Fuhre, weil die Container französischer Bauart (Typ TN 85) ebenfalls nicht im Original Fall- und Feuertests durchlaufen hätten.
Das niedersächsische Umweltministerium ist zwar nicht direkt in das Zulassungsverfahren für Castorbehälter eingebunden, es übt aber die atomrechtliche Aufsicht über das Zwischenlager Gorleben aus. Insofern wäre es eigentlich den Interessen der Bevölkerung verpflichtet. Doch die Antwort auf eine Parlamentsanfrage der Grünen kommt einer Parteinahme für die Atomlobby gleich: »Nach Ansicht vieler Experten sind rechnerische Sicherheitsnachweise und Analogiebetrachtungen grundsätzlich ausreichend«, heißt es in der auch als Pressemitteilung versandten Stellungnahme.
Insgesamt stehen aus La Hague noch drei Atommülltransporte mit jeweils elf Castorbehältern an. Anschließend sollen noch 21 Behältern aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield in den Kreis Lüchow-Dannenberg gekarrt werden.
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