Bahn frei für einen Neuanfang von unten

Gewerkschafter fordern Rücktritt des gesamten geschäftsführenden Transnet-Vorstands

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Nachricht vom bevorstehenden Wechsel des bisherigen Transnet-Vorsitzenden Norbert Hansen in den Vorstand der Deutschen Bahn AG hat an der Gewerkschaftsbasis Unverständnis, Wut und Empörung ausgelöst.

Was früher in öffentlichen oder privatisierten Betrieben und in der Montanindustrie üblich war – nämlich die Ernennung von Gewerkschaftern und SPD-Politikern zu Arbeitsdirektoren bzw. Personalvorständen –, birgt vor dem Hintergrund des laufenden Privatisierungsprozesses der Deutschen Bahn allerlei Sprengstoff. Für einen Teil der Transnet-Mitglieder liegt nahe, dass sich Hansen jahrelang aus eigennützigen Motiven über den Basiswillen hinweggesetzt und mit der Propagierung der Teilprivatisierung an seiner Karriere gebastelt hat. Für solche Gewerkschafter ist Hansens Seitenwechsel der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Dies machen Diskussionen im Alltag und auf einschlägigen Internetforen deutlich. Manche versuchen ihre Wut in Aktion umzusetzen und wollen die Gewerkschaft umkrempeln. »Jetzt geht mir natürlich durch den Kopf, ob es sinnvoll ist, unserer Väter Arbeit einfach mit Füßen zu treten und den ›Laden‹ einfach laufen zu lassen. Was haltet ihr von einem Neuanfang von unten!?«, fragt ein Eisenbahner im mitgliederinternen Transnet-Forum.

Während der geschäftsführende Transnet-Vorstand (GV) ein halbes Jahr vor dem ordentlichen Gewerkschaftstag den Eindruck eines »Business as usual« zu erwecken versucht und den zum neuen Transnet-Chef gekürten Lothar Krauß als guten Kumpel darstellt, haben etliche Mitglieder das Vertrauen in den GV verloren. So fordert der bezirkliche Arbeitskreis der Transnet-Vertrauenspersonen für den Bezirk Nord-Ost den Rücktritt des gesamten geschäftsführenden Vorstands. »Der Weg muss freigemacht werden für einen demokratisch legitimierten Neuanfang«, heißt es in einer Resolution. »Die dem Arbeitskreis gegenüber geäußerten Meinungen der Gewerkschaftsmitglieder drücken tiefes Misstrauen gegenüber getroffenen und zu erwartenden personellen Entscheidungen aus. Es muss dringend eine inhaltliche Überprüfung des eingeschlagenen Wegs der Transnet bezüglich der Teilprivatisierung der DB AG stattfinden.«

Diese Forderung unterstützt auch Alfred Lange, Betriebsratsvorsitzender bei der DB-Güterverkehrssparte Railion in Frankfurt am Main und Mitbegründer der Initiative »Bahn von unten«: »Ein Neuanfang kann nicht von denjenigen Spitzenfunktionären ausgehen, die im ›System Hansen‹ maßgeblich mitgewirkt und geschwiegen haben.« Lange fordert Mitgliederversammlungen und Basisdialoge, um einen Neuanfang von unten zu gewährleisten und »die offensichtliche Scheinheiligkeit beim angeblichen Erhalt des Konzerns und dem bevorstehenden Börsengang zu entlarven«.

Lothar Krauß hatte den Wechsel Hansens in die DB-Chefetage als »normalen« Vorgang im Rahmen des »deutschen Mitbestimmungsmodells« dargestellt. Demgegenüber wurde bekannt, dass der Konzernbetriebsrat unter der Leitung von Günter Kirchheim, der auch im DB-Aufsichtsrat sitzt, letzte Woche wichtige Mitbestimmungsrechte preisgegeben hat. Das Gremium verzichtete auf die Einhaltung von Fristen gemäß Konzernbetriebsvereinbarung für die Mitbestimmung bei der Umstrukturierung des Konzerns, um den hastigen Börsengang noch 2008 rechtlich zu ermöglichen. »Dies passt wie die Faust aufs Auge«, kritisiert Lange. Der Gewerkschafter forderte die Arbeitnehmervertreter im DB-Aufsichtsrat auf, bei der Sitzung am Donnerstag die geplanten Umstrukturierungen des Konzerns mit Zielrichtung Börsengang abzulehnen.

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