Sanierter Größenwahn

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 2 Min.
Wenn Möchtegern und Gernegroßüber Vernunft und Demut triumphieren, dann saniert man ein heruntergekommenes Gebäude in Toplage, stattet es mit Möbeln, Toiletten und anderen nützlichen Dingen vom Allerfeinsten aus und lädt sich protzig Gäste ein, um zu zeigen, dass man wer ist. Auch wenn jeder weiß, dass man ärmer ist als die sprichwörtliche Kirchenmaus. Und sich nicht leisten kann, was man sich leistet. Von Größenwahn war dereinst der CDU/ SPD-Senat geplagt, als ihm schien, eine noble Landesvertretung beim und gleich neben dem Bund zu benötigen, um seine Interessen beim selben durchsetzen zu können. Nicht einmal fünf Millionen Mark ließ sich die Stadtregierung das liebliche Ambiente kosten, in dem man Mitglieder der Bundesregierung und des Bundestages und des Bundesrates unter anderem dazu verführen wollte, Berlin mehr Geld und andersförmiges Wohlwollen zuzuschanzen. Allein, es war offenbar zu wenig hineingesteckt worden, denn es kam soviel wie nichts wieder heraus. Ambiente und Völlerei - freilich zum Nutzen der Bürger - ersetzen eben nicht Politik. Das wusste man auch schon vor zwei Jahren, als die Berliner Landesvertretung in Berlin fertig gestellt wurde und dort fortan die Vertreter der einen Seite mit den Vertretern der anderen Seite direkt in der Vertretung zusammenkamen, um unser aller Wohlsein zu erörtern. Soviel Unfug - der Senat nennt ihn jetzt Luxus - will man sich jetzt nicht mehr leisten. Und vermietet das Gebäude. Die 20 guten Seelen, die dort ihren Job gemacht haben, dürfen dies nun vom rot-roten Roten Rathaus aus tun. So muss es sein: Wenn gespart werden soll, verzichtet man am Besten erst mal selbst. Da fällt dem gemeinen Bürger eine Menge ein: Auf die Landesvertretung, auf einen Teil der eigenen Diäten, auf Klausurtagungen in österreichischen und anderortigen Nobelhotels... So werden Politiker glaubwürdig. Und dann klappt es vielleicht sogar auch mit den Gewerkschaften.
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