Weltmacht in der Finanzkrise

  • Robert Kurz
  • Lesedauer: 3 Min.
»Die Ankündigungen der beiden US-Präsidentschaftskandidaten von riesigen Konjunkturprogrammen sind Schall und Rauch.«
»Die Ankündigungen der beiden US-Präsidentschaftskandidaten von riesigen Konjunkturprogrammen sind Schall und Rauch.«

Politisch-militärische Macht kann zur ökonomischen Potenz werden. Aber diese Macht ist trotzdem nicht in der Lage, auf Dauer die Funktionsgesetze des Kapitalismus auszuhebeln, auch wenn sie die Verlaufsformen der Weltmarkt-Geschichte beeinflusst. Weltkapital braucht Weltgeld als Maßstab der Währungsverhältnisse. Davon hängen der internationale Handel und das globale Finanzsystem ab. Als 1973 die Goldbindung des Dollar gekappt wurde, trat die konkurrenzlose Militärmaschine der USA mit ihrer »permanenten Kriegswirtschaft« an die Stelle des Goldes. Die Funktion der globalen Garantiemacht und die Ideologie vom »sicheren Hafen« wurden zur ökonomischen Gewalt; an die Stelle des Golddollar trat der Rüstungsdollar. Auf diesem Konstrukt beruhten die Globalisierung, die Finanzblasen-Ökonomie und die Defizitkonjunktur der letzten 20 Jahre. Der Preis war eine Außenverschuldung der USA in astronomischen Dimensionen.

In der Debatte über die schwelende Finanzkrise, deren Epizentrum das Bankensystem der USA bildet, ist verdächtig wenig von der Weltgeldfunktion des Dollar die Rede. Alle wissen, dass der Euro ebenso wenig wie eine andere Währung diese Rolle übernehmen kann. Eine Rückkehr zur Goldbindung ist auf Basis der globalen Verschuldungsstrukturen unmöglich und eine alternative Militärmacht nirgendwo in Sicht; sie wäre sowieso unfinanzierbar. Die Finanzkrise, deren Ende nicht absehbar ist, stellt aber das Konstrukt der Dollar-Ökonomie grundsätzlich in Frage. Gegenwärtig verschießt die US-Notenbank ihr Pulver, nur um die Bankbilanzen zu retten und eine Kernschmelze des Finanzsystems zu verhindern. Es bleibt keine Option mehr für zusätzliche Konjunkturspritzen, zumal die öffentliche Hand der USA auf allen Ebenen hochverschuldet und die Sparquote verschwindend gering ist.

Damit droht nicht nur die Defizitkonjunktur abzustürzen, sondern auch die Finanzierungsfähigkeit der »permanenten Kriegswirtschaft«. Die USA benötigen tagtäglich mehrere Milliarden Dollar Zufluss an globalem Geldkapital. Solange dieser Zufluss funktionierte, konnte der Weltordnungskrieg scheinbar aus der Portokasse ohne größere Auswirkungen auf die Weltwirtschaft finanziert werden. Der Dollarverfall gegenüber dem Euro signalisiert aber ebenso wie die Flucht ins Gold, dass die Quelle bereits zu versiegen beginnt. Auch auf den asiatischen Währungen lastet ein enormer Aufwertungsdruck. Nach Berechnungen des ehemaligen Weltbankpräsidenten Joseph Stiglitz kostet allein der Irak-Krieg mit allen Nebenwirkungen mehr als eine Billion Dollar. Dramatische Folgen der Finanzkrise für die Rüstungs- und Kriegskosten in den nächsten Jahren werden nicht ausbleiben.

Die vollmundigen Ankündigungen der beiden Präsidentschaftskandidaten von riesigen Konjunkturprogrammen sind Schall und Rauch; über die weitere Finanzierung der Militärmaschine und ihrer Einsätze schweigen sie sich aus. In Wirklichkeit wird der nächste US-Präsident das Finanzdebakel ausbaden müssen. Wenn der Weltordnungskrieg zusammenbricht, erlischt auch die Funktion der globalen Garantiemacht und der Rüstungsdollar ist am Ende. Es gibt dann objektiv keine Möglichkeit mehr, den Dollar bloß durch diplomatische Erklärungen etwa der G8-Finanzminister und Notenbankpräsidenten noch einmal aufzuwerten. Die Konsequenzen sind absehbar. Der Welthandel im Rahmen der Globalisierung könnte nicht nur durch das Ende des US-Konsumwunders abgewürgt werden, sondern auch durch eine Weltwährungskrise im Gefolge der Dollarkrise.

Immer freitags: In der ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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