Kommunen im Sog der Finanzkrise

Nicht nur Steuerausfälle werden die Kassen weiter belasten, jetzt rächen sich auch riskante Geschäftsmodelle der Vergangenheit

  • Marian Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Steuerausfälle in Folge der Wirtschaftskrise werden die Kassen der Kommunen noch einmal belasten. Zudem fliegen ihnen nun riskante Finanzgeschäfte aus der Vergangenheit um die Ohren.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund stimmt seine Mitglieder auf harte Zeiten ein. »Die Lage der Kommunen wird sich dramatisch verschlechtern«, sagt der Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Er rechnet mit massiven Steuerausfällen, die öffentliche Investitionen absinken lassen und Kaufkraft und Arbeitsplätze vor Ort schwächen. Angesichts eines enormen Investitionsstaus in den Kommunen, der vor allem die Schulen, die kommunalen Verkehrsunternehmen und das Straßennetz betrifft, findet der Gemeindebund zwar höfliche Worte für das Konjunkturprogramm der Bundesregierung, das als »Schritt in die richtige Richtung« bezeichnet wird. Nötig sei jedoch eine »Infrastrukturoffensive«, die das finanzielle Ausmaß des Programms der Bundesregierung bei Weitem übersteige.

Indessen mehren sich die Anzeichen, dass die Finanzkrise die Kommunen nicht nur bei den Steuern trifft. So haben beispielsweise über 150 Kommunen in den letzten Jahren Cross-Border-Leasing-Verträge (CBL) mit US-Investoren abgeschlossen. Über 700 Kommunen sollen sich nach Expertenschätzungen mit sogenannten Swap-Geschäften an Zinsspekulationen beteiligt haben.

CBL galt als »innovatives Instrument« zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben. Dabei verkauften Gemeinden Messehallen und Schulen, aber auch kommunale Infrastruktur wie Heizkraftwerke und Schienennetze an US-Gesellschaften über eine Laufzeit von bis zu 99 Jahren. Die Kommune mietet das Objekt dann zurück und bezahlt dies mit dem Kaufpreis, der in einer amerikanischen Depotbank hinterlegt wird. Sodann teilten sich die Gemeinde und die US-Gesellschaft den Steuervorteil, der in den USA zu erzielen war.

Die US-Regierung stopfte dieses Schlupfloch 2004 und verbot derartige »Scheingeschäfte«. Damit haben die amerikanischen Behörden das Wachstum des CBL-Marktes zwar jäh beendet, trafen allerdings nicht die deutschen Verträge, die alle vor 2004 abgeschlossen sein sollen. Unter dem Druck der Krise will die amerikanische Steuerbehörde nun auch rückwirkend durchgreifen. Sie hat ca. 100 Investoren aufgefordert, ihre CBL-Verträge im Ausland bis Ende 2008 zu kündigen. Die Kommunen müssen sich auf langwierige Abwicklungsverhandlungen mit amerikanischen Anwaltskanzleien einstellen.

Bis dahin dürfte jedoch noch ein anderer Aspekt des CBL ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Denn heute ist das Risiko der Insolvenz der US-Depotbanken allgegenwärtig. Das bedeutet für die nunmehr an langjährige Mietverträge gebundenen Kommunen, dass sie entweder neue und teure Insolvenzversicherungen abschließen oder direkt Geld für die Mieten nachschießen müssen.

Die riskante Seite des Geschäfts haben bereits die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zu spüren bekommen. Das öffentliche Unternehmen hat mehrere Hundert Straßenbahnen und U-Bahnwagen an US-Investoren verkauft und zurückgemietet. In Folge der Finanzkrise drohen Sicherheiten für die Begleichung der Leasingraten auszufallen. Für diesen Fall musste die BVG nun 157 Millionen Euro zurücklegen.

Noch größere Risiken sind Kommunen mit den Swap-Geschäften eingegangen. Damit haben sie auf die Differenz zwischen Kurzzeit- und Langzeitzinsen spekuliert, um damit die Zinsbelastung des Haushalts zu mindern. Jetzt fliegen den Kommunen auch diese »innovativen« Finanzinstrumente um die Ohren. Dortmund hat 6,2 Millionen Euro durch Zinsspekulationen verloren. In Neuss musste ein kommunales Unternehmen eine Rückstellung von 14 Millionen Euro bilden, um kommende Verluste auszugleichen. Das größte Defizit haben jedoch zwei geplatzte Swaps in Hagen hinterlassen. Die Stadt muss mit Verlusten von bis zu 51 Millionen Euro rechnen.

Die zuständigen Politiker stehen nun am Pranger. Was ist aber mit den Vermittlern dieser Geschäfte, z. B. der Deutschen Bank, die daran mitverdient haben? Die Finanznot der Kommunen war eine der Bedingungen für die Konjunktur dieser windigen Geschäftsmodelle. Wo sich Kommunen solide über Steuern und andere reguläre Einnahmen finanzieren können, sind sie auch nicht verleitet, Risiken bei der Geldbeschaffung einzugehen.

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