Konzern-Lobby fordert den »Old Deal«

Finanz- und Wirtschaftskrise gefährdet die Energiewende

  • Susanne Götze
  • Lesedauer: 5 Min.
Durch die Finanzkrise könnten Klimaschutzmaßnahmen in Verzug geraten und nationale wie internationale Klimaziele gefährdet werden. Doch Umweltschützer sehen gerade jetzt die Gelegenheit, die Wirtschaft grundlegend hin zu einer Öko-Ökonomie zu reformieren.

Aus der Finanzkrise wird derzeit eine Wirtschaftskrise. Dies trifft auch Unternehmen und größere Projekte in der Umweltbranche empfindlich. So häufen sich die schlechten Nachrichten auch bei den erneuerbaren Energien: Windanlagenbauer wie Nordex kündigen für 2009 ein weniger dynamisches Wachstum als in den vergangenen Jahren an und wollen einige größere Projekte auf 2010 verschieben. Ähnliche Meldungen kommen auch vom Konkurrenten Repower und von Solarfirmen.

Banken verweigern sogar zugesagte Kredite

Die noch sehr junge Ökoenergie-branche ist besonders abhängig von Krediten – und damit vom Wohlwollen der Banken. Deshalb stellt für viele Unternehmen, die neu am Markt sind, die Finanzkrise ein enormes Problem dar. Das bestätigt auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der die Bundesregierung berät. Viele Banken seien nicht einmal mehr bereit, schon zugesagte Kredite auszuzahlen. Gerade Unternehmen mit wenig Eigenkapital seien deshalb stark betroffen, darunter auch solche mit als besonders effizient und zukunftsträchtig geltenden Offshore-Projekten in Schleswig-Holstein (Windparks auf See), erklärte Professor Olav Hohmeyer von der Universität Flensburg, der im SRU Mitglied ist. Das Geld der Bundesregierung müsste deshalb gezielter eingesetzt werden. Hohmeyer glaubt beispielsweise, dass mit staatlichen Garantien für erfolgversprechende regenerative Anlagenbauer viel getan werden könnte.

Nicht ohne Grund hat deshalb auch der Bundesumweltminister vor kurzem mit dem Ruf nach einem »New Deal« ein Investitionspaket fürs Klima gefordert. Auf einem Kongress des Energieversorgers EnBW Ende November mahnte Gabriel eindringlich, die »Investitionstätigkeit« beizubehalten und weiterhin auf das Pferd Klimaschutz zu setzen. Angesichts der politischen Entwicklungen in den USA müsse die EU nun erst recht »dran bleiben«.

Doch Stimmen aus der Union drängen derzeit eher auf einen »Old Deal«: sich mit Investitionen über das beschlossene Fünf-Milliarden-Konjunkturprogramm hinaus zurückzuhalten sowie nationale und internationale Verpflichtungen im Klimaschutz aufzuweichen. Letzteres erklärt auch den Ansturm der Industrie- und Energie-Lobbys auf die Politik: Die Beschlüsse des EU-Gipfels Mitte Dezember in Brüssel werden zeigen, ob die Regierungen die Klimaziele beibehalten wollen – trotz oder gerade wegen der Finanzkrise.

Auch die Atomlobby hat sich auf die neue Situation eingestellt: Anlagenbetreiber sehen nun die Stunde gekommen, ihre »günstige« Alternative zu herkömmlichen Klimaschutzmaßnahmen an den Mann zu bringen. Atomfans wie Ex-Greenpeace-Mann Patrick Moore beschwören eine Renaissance der Atomkraft, die bei der Versorgung durch erneuerbare Energien ergänzt werden. Zudem sollen beim laufenden Weltklimagipfel in Poznan Vorschläge auf dem Tisch liegen, die vorsehen, die Atomkraft in den Clean-Development-Mechanismus (CDM) einzubeziehen. Das zumindest berichtet die Umweltorganisation International Rivers. Das würde schlicht bedeuten, dass etwa deutsche Energiekonzerne CO2-Zertifiakte gutgeschrieben bekämen, wenn sie in Entwicklungsländern in den Atomkraftwerksbau investierten.

Auch Politikern wie CSU-Chef Horst Seehofer kommt die Finanzkrise offenbar zupass. Der bayrische Ministerpräsident versucht, den Ruf nach Sicherung von Arbeitsplätzen gegen den Klimaschutz auszuspielen. Da die Krise die heimische Autoindustrie empfindlich treffe, müssten nun Klimaziele hinter den kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen zurückstehen. Dabei setzt sich die Bundesregierung schon seit Jahren auf EU-Ebene für niedrigere Schadstoffgrenzen im Verkehr ein, um die deutsche Automobilindustrie zu protegieren – das ist also nichts Neues. Für das Autoland Deutschland, das vor allem große und schwere Fahrzeuge baut, war das EU-Ziel, den CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2012 auf 120 Gramm je Kilometer zu begrenzen, schon immer ein Dorn im Auge. Einen ersten Erfolg hat die Autolobby nun mit der weiteren Aufweichung der Klimaauflagen in Brüssel auch dank der Finanzkrise eingefahren. Und die Bundesregierung fördert auf nationaler Ebene den Autokonsum, indem sie die KfZ-Steuer für alle Neuwagen ein Jahr lang erlässt.

Autokonzerne müssen Produktion umstellen

Doch das sei genau der falsche Weg, meint Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe. »Wir werden schon bald nicht mehr mit den Automodellen fahren können, die heute produziert werden.« Laut Rosenkranz ist es höchste Zeit für die Autokonzerne, ihre Produktion umzustellen, statt die Finanzkrise und die drohende Rezession als Ausrede für die Abschaffung unliebsamer Klimaziele zu nutzen. Dagegen sollte die gesamte Wirtschaft strukturell neu gestaltet werden: »Es geht nicht nur darum, die Kluft zwischen Finanz- und Realwirtschaft wieder zu schließen, sondern die Chance zu nutzen, um neue, nachhaltige Strukturen aufzubauen«, so der Experte. Gerade jetzt, wo die Politik wieder an Bedeutung gewinne und die Wirtschaft nach Milliardenhilfen verlange, könnten Bedingungen gestellt werden. »Die Wirtschaft hat der Politik einen Karren voll Mist vor die Tür gestellt und nun soll der Staat es richten«, wettert Rosenkranz. Es komme nun darauf an, ob sich in der Politik die Kräfte durchsetzten, die verstanden hätten, dass nur mit einem ökologischen Umbau nachhaltig und erfolgreich gewirtschaftet werden könne. Im Klimapaket der Bundesregierung gehe lediglich die Aufstockung der Fördermittel für die energetische Gebäudesanierung in die richtige Richtung.

Allerdings haben Maßnahmen zum Einsparen von Energie ebenfalls als Folge von Finanz- und Wirtschaftskrise kaum Konjunktur. Grund dafür sind die zuletzt wieder stark sinkenden Energiepreise, woran sich laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bis ins Jahr 2009 nichts ändern werde. Mittelfristig erwarten die meisten Experten indes wieder steigende Preise, weshalb ein Zögern bei Energiesparprojekten teuer zu stehen kommen könnte.

Alarmierend sind die jüngsten Prognosen der OECD, die in ihrem »World Energy Outlook 2008« einen dramatischen globalen Anstieg des Primärenergieverbrauchs bis 2030 um 45 Prozent voraussagt. Deshalb hänge »das Wohl der Menschheit« – so der Industrieländerclub – davon ab, wie schnell auf ein CO2-armes, leistungsfähiges und umweltschonendes Energiesystem umgestellt werde.

Susanne Götze ist freie Journalistin, spezialisiert u.a. auf Umwelt- und Energiethemen.

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