Zähmung des Geldes erst 2009

Deutsche Banken und Sparkassen sind international vergleichsweise solide

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 5 Min.
Auch über den hiesigen Bankensektor wurde ein gigantischer Rettungsschirm gespannt. Indes hält sich die Nachfrage nach den staatlichen Milliarden bislang in Grenzen.
Blick auf die Bankentürme in der Frankfurter City ND-
Blick auf die Bankentürme in der Frankfurter City ND-

»Noch Anfang September war ich sehr optimistisch«, erzählt der Manager eines DAX-Konzerns, aber mit der Pleite der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Mitte September sei »schlagartig« eine neue Situation entstanden. Zuvor hatte man in der deutschen Geldwirtschaft geglaubt, die Finanzkrise sei bereits weitgehend überwunden.

Um zu ahnen, wie tief die Krise ist, lohnt ein Rückblick. Im August 2007 war die Sachsen LB faktisch pleite. Die kleinste öffentlich-rechtliche Landesbank drehte mit amerikanischen Schrottkrediten ein besonders großes Spekulations-Rad. Herbert Süß und seine Vorstandskollegen hatten in der Steueroase Dublin zwei sogenannte Conduits gegründet. Solche Zweckgesellschaften tauchen in keiner Bilanz auf, und damit waren sie auch aus dem Radar der internen Kontrolleure und des Bundesaufsichtsamtes BaFin verschwunden. Als der Immobilienmarkt in den USA und das daran klebende Kreditgeschäft im Sommer 2007 zusammenbrachen, war die Landesbank nicht mehr flüssig. Die Sparkassenorganisation und das Land Sachsen retteten das Institut und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) übernahm den maroden Partner.

Die Sachsen LB blieb kein Einzelfall in der Branche, in der 500 000 Menschen arbeiten. Um die hemmenden Regeln in Deutschland zu umgehen, unterhielten auch viele private Kreditinstitute solche Zweckgesellschaften. Über diese schwappte die US-Immobilienkrise nach Asien und Europa. Hierzulande traf es im Herbst 2007 die halbstaatliche Mittelstandsbank IKB. Die Staatsbank KfW, private Banken und der Steuerzahler retteten die IKB – später wurde sie billig an die Beteiligungsgesellschaft Lone Star verkauft. Aber erst ein Jahr darauf, nach der Lehman-Pleite, kam der große Schock. Viele deutsche Banken meldeten schwere Verluste, außergewöhnliche Abschreibungen und schwindendes Eigenkapital. Selbst die Eigenkapitalquote des scheinbar grundsoliden Sparbuch-Verwalters Postbank rutschte weit unter die normale Acht-Prozent-Grenze.

Die Bundesregierung reagierte Mitte Oktober mit einem Rettungspaket von 500 Milliarden Euro. Mit dem »Finanzmarktstabilisierungsfonds« bürgt sie für angeschlagene Banken und schießt notfalls Kapital zu. Als erste bewarb sich die Bayerische Landesbank um einen Rettungsschirm. Den erhielt dann zunächst im November die HSH Nordbank gereicht: als Bürgschaft über 30 Milliarden Euro. Im privaten Bankensektor griffen als erste zur Staatshilfe die Commerzbank und die Hypo Real Estate. Die Münchner finanzieren weltweit gewerbliche Immobilien.

Erstaunlich wenige Institute beanspruchen bislang die staatliche Hilfe. Die Bundesregierung konnte bis Dezember erst ein Viertel der angebotenen Rettungspakete zustellen. Hinter den Fassaden der Banktürme wird zwar sondiert, aber kaum jemand mag »Hier!« rufen – aus Sorge um den guten Ruf. Kanzlerin Angela Merkel warnte die Geldverleiher vor »falschem Prestigedenken«. Bis Ende 2009 bleibt der Finanzwirtschaft jedoch noch Zeit, um sich unter den staatlichen Rettungsschirm zu stellen.

Noch immer wissen weder Politiker noch Experten oder Banker, wie tief die Krise sitzt. Insgesamt ist die deutsche Finanzwirtschaft jedoch mit ihren Geschäften solider, weil breiter aufgestellt als die angelsächsischen Investment- und Regionalbanken. Untereinander regiert trotzdem das Misstrauen, und der an sich alltägliche Kredit von Bank zu Bank wird kaum noch vergeben. Kein Vorstand kann schließlich dem Geschäftspartner in dessen Bücher schauen. Die Banken bleiben darum knapp bei Kasse und werben lieber bei Sparern und Anlegern mit hohen Zinssätzen um Einlagen. Im Gegenzug verteuern sie Kredite an den Mittelstand und legen die Hürden für Firmenkunden höher. Die volkswirtschaftliche Infrastruktur »Geld und Kredit« stottert gefährlich.

Stark getroffen von der Finanzkrise wurden die Landesbanken. Eine Mitschuld tragen die jeweiligen Landesregierungen – als Kontrolleure und, weil sie »ihre« Bank nutzen, um damit Industriepolitik zu betreiben. Das mag oft zweckmäßig sein, ist aber nicht kostenlos zu haben. Zudem wirft das an sich gesunde Kerngeschäft, Kredite für Gewerbe und Mittelstand, nur niedrige Gewinne ab. Die Versuchung war daher groß, über spekulative Zweckgesellschaften die Profitrate aufzubessern. Die Sparkassen als Miteigentümer wollen die sieben Landesbanken vorerst zu dreien zusammenschließen. Solche Fusionspläne stoßen bei der Gewerkschaft ver.di und einigen Landesregierungen auf Widerstand. Sie fürchten um politischen Einfluss und tausende Arbeitsplätze.

Auch private Geldgiganten versuchten, ihre Gewinnmargen mittels hochriskanter Spekulationsgeschäfte oder laxer Kreditvergabe aufzubessern. Allen voran der Deutschen Bank erschienen frühere Ziele für die Profitrate von 10 oder 15 Prozent aufs Eigenkapital zu mickrig. 25 Prozent oder mehr sollten es sein. Solche riesigen Gewinne, das weiß jeder Bankvorstand, müssen mit einem enormen Risiko bezahlt werden. So erwischte es bereits die deutsche Tochter der Citibank, die notgedrungen für fünf Milliarden Euro an die französische Genossenschaftsbank Crédit Mutuel verkauft wurde.

Da weitere Schocks zumindest noch bis zum Sommer 2009 jederzeit möglich sind, dürfte die Nachfrage nach Rettungspaketen zunehmen. Dies auch deshalb, weil die Geldgiganten in den USA, Großbritannien und Frankreich üppige Kapitalspritzen vom Staat verabreicht bekommen, weshalb den deutschen Banken international ein Wettbewerbsnachteil droht.

Die Bundesbank hält den hiesigen Finanzsektor im internationalen Vergleich für weniger stark betroffen. Der Grund ist die vergleichsweise breite Risikostreuung der deutschen Universalbanken und die wichtige Rolle, die der öffentliche Bankensektor spielt, allen voran die Sparkassen. So dürfte am Ende der Krisentage der Finanzstandort D mit einem blauen Auge davon gekommen sein.


500 Milliarden

Bundestag und -rat stimmten am 17. Oktober dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz zu. Auf dieser Grundlage wurde ein »Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung« geschaffen, welcher von der Finanzmarktstabilisierungsanstalt in Frankfurt am Main verwaltet wird. Abgewickelt wird die Rettungsaktion in der Praxis vor allem durch die Bundesbank. Der Rettungsschirm umspannt fast 500 Milliarden Euro. 80 Milliarden werden bereitgestellt, um in Bedrängnis geratenen Banken neues Kapital zuzuführen. Mit maximal 400 Milliarden will die Regierung notfalls Bürgschaften übernehmen. Bislang wurden Bürgschaften über etwa 100 Milliarden Euro beantragt. hape

Der Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler Hermannus Pfeiffer ist Experte für Themen rund ums Geld.

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