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Das bissige Reden über die Krise

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie gehen die Medien mit so etwas wie der vom Neoliberalismus verschuldeten Finanzkrise um? Informieren sie etwa nur? Kommentieren sie kritisch? Oder sind sie womöglich als mitschuldige Mitverursacher anzusehen? Prekäre Fragen. Als Klaus Staeck, Präsident und selbst Medienprofi, vor Tagen in die Akademie der Künste am Pariser Platz Berlin zum 26. Akademiegespräch über »Medien und Neoliberalismus« einlud, standen sie im Raum. Der Schweizer Starpublizist Frank A. Meyer und der Autor und Filmemacher Andres Veiel bewiesen als mediengeübte Macher über Strecken so viel kennerischen Durchblick, dass das Publikum im voll besetzten Plenarsaal ein ums andere Mal neuerlich das Entsetzen über jene unvorstellbar ruinösen Eskapaden packte.

Meyers Attacken gegen die Ideologie des »Marktismus« und die Unsitte der »Börsen-Wetterberichte«, sein Lustigmachen über einen »Klassenkampf« des Irrealen gegen das Reale in der Wirtschaft (und folgerichtig spiegelgetreu in den Medien) beeindruckten da fast mehr als die nüchternere, aber letzten Endes schlüssigere Argumentation Veiels. Wie kritiklos Medien das Knäuel der Legendenbildung knüpften, wie gerade sie das Wunschbild einer spekulativen Scheinwelt verherrlichten und wie undurchsichtig sie die desaströsen Vorgänge weiterhin halten, dafür hatte dieser nur das harte Wort: Demokratiefeindlich.

Punktete Meyer noch am Anfang mit einer Frontalattacke, die im bevorzugten Hasswort des Neoliberalismus »totalitäre Praktiken« gipfelte, so endete er enttäuschend in der Mär von seinem ach so lernfähigen Managerfreund Ackermann. Wenn er meint, alle anderen Journalisten (außer ihm) nähmen sich einfach nur nicht die Freiheit, die sie haben könnten, so argumentiert er hart an den Besitzverhältnissen vorbei. Den »Fakt Angst« nennt Veiel das, was da durch finanzielle Zwänge produziert wird.

Als Klaus Staeck auf die »Initiative Neue soziale Marktwirtschaft« zu sprechen kam, den Etikettenschwindel betreibenden erzneoliberalen Verein, hatte er den Finger auf der offenen Wunde dieses in sich geschlossenen Profitsystems. Wenn diese Ideologie ungebremst über das jetzige Debakel hinweg medial weiterverbreitet wird, geht der aufklärerische Auftrag der Medien vor die Hunde. Die Symptome als Vorboten des Schlimmeren zu begreifen – oder schon als seine Merkmale –, damit stellt man noch lange nicht das ganze System in Frage. In der Krise handeln und nicht nur so oder so etwas zu verbandeln, ob das gelingt, blieb auch nach dem Rededuell dieses Abends völlig offen. Denn Staecks Beispiel von dem Foto des Brillantrings der französischen Ministerin, der in der einen Zeitung retuschiert wurde und in der anderen angeprangert, war zu schwach als Muster für mutige Medien.

Leichte Wehmut überkommt den Zeugen der Szene, erkennend, wie denn das bissige Reden über die Krise derselben keineswegs beikommt. Meyers Harmoniebedürfnis zur Rettung des wahren Kapitalismus in allen Ehren – wie funktioniert jedoch hier der Rückwärtsgang? Die Fundamentalismen der Extreme zu meiden und den dritten Weg des Ausgleichs finden: Welch unendliche Strapaze. Wenn Medien wie die öffentlich-rechtlichen Sender den Interessen »der Bevölkerung« (wie es so schön im Bundestag geschrieben steht) verpflichtet bleiben, dann ist schon viel gewonnen. Das privatisierte Medium Fernsehen etwa kümmert sich den Teufel um Krisen. Es amüsiert sich zu Tode.

Und ein nicht zu verkennender Nebeneffekt ist der Zustand der Öffentlichkeit selbst. Es ist nicht so, dass die kritisch-investigativen TV-Magazine die höchsten Einschaltquoten haben. Ganz zu schweigen von der Auflagenhöhe linker Presseerzeugnisse, die ungeschminktere Wahrheiten verbreiten. Im Übrigen provoziert Kritiklosigkeit immer das Extrem nihilistischer Fundamentalkritik.

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