Rommels Bluse als Kulturgut

Das niedersächsische Munster lockt Besucher mit einer einmaligen Attraktion – dem »Deutschen Panzermuseum«. Statt politischer und historischer Aufklärung bietet dieses allerdings ausschließlich technische Fakten.

  • Guido Sprügel
  • Lesedauer: 6 Min.

Die Kleinstadt Munster in Niedersachsen hat für Touristen nicht viel zu bieten. Eines fällt allerdings sofort auf – es gibt in der Stadt mehr Bundeswehr- als Zivilkennzeichen an den Autos. Und auch sonst bestimmen Militärwegweiser und Kasernen das Bild der Kleinstadt. Kein Wunder, denn seit 1893 gibt es Truppenübungsplätze in der Stadt. Und seit dieser Zeit war Munster immer Garnison des Militärs, sei es der Reichswehr, der Wehrmacht oder der Bundeswehr. Heute ist es die größte Garnison der Bundeswehr. Für Kultur bleibt da kaum Platz. Neben »Music in the City« und dem »Tag des offenen Hofes« ist es das »Deutsche Panzermuseum«, das schon auf der Autobahn und dann am Ortseingang den Besucher empfängt.

Kein Wort über den Holocaust

Das »Deutsche Panzermuseum« existiert seit 1983. In fünf Hallen wird die Entwicklung dieser Waffengattung von den Anfängen bis heute dokumentiert. Einen breiten Raum nimmt die Zeit zwischen 1933 und 1945 ein. Insgesamt 40 Fahrzeuge der Wehrmacht werden ausgestellt. Auf den Tafeln werden fast ausschließlich technische Fakten präsentiert. Hintergründe zu Einsatzorten, Charakter der deutschen Kriege, Vernichtungskrieg, Holocaust sucht man vergeblich. Stattdessen wird der deutschen Panzerwaffe und ihren Kommandeuren nahezu kritiklos gedacht. In Halle 1 stehen zwei ältere Herren neben dem ausgestellten Panzer I und unterhalten sich über die Vor- und Nachteile. »Besonders wendig war der nicht«, kommentiert der eine, während der andere Herr die Bewaffnung als völlig unzureichend beschreibt. Neben dem Panzer I ist eine Vitrine einzig und allein dem »Schöpfer« der deutschen Panzerwaffe – Heinz Guderian – gewidmet. Seine Originaluniform ist ebenso ausgestellt, wie sein Werk »Erinnerungen eines Soldaten«. Guderians soldatischer Werdegang wird ausführlich geschildert – über seinen Bezug zum Nationalsozialismus erfährt man hingegen nichts. Dabei war es Guderian, der als Chef des Generalstabes die Reaktionen des Heeres auf den Anschlag vom 20. Juli 1944 koordinierte und nationalsozialistisch gefestigte Offiziere forderte: »Laß dich von niemandem übertreffen in deiner Treue zum Führer. (…) Es gibt keine Zukunft des Reiches ohne den Nationalsozialismus. Deshalb stelle dich bedingungslos vor das nationalsozialistische Reich.«

Der Gang durch Halle 1 macht einen kleinen Schlenker nach links und weitere Panzer der deutschen Wehrmacht geraten ins Blickfeld. Neben dem riesigen Panzer V, der zwischen 1943 und 1945 gefertigt wurde, schildern Wandtafeln die Schlacht am Kursker Bogen. Gerade erhält ein Panzerausbildungsbataillon aus Munster die Planungen und den Verlauf des »Unternehmens Zitadelle« erklärt. »Der Russe war eindeutig überlegen. Gegen seine T-Panzer hatte die Wehrmacht keine Chance«, so erklärt der Museumsangestellte Reiner Frank den Rekruten den Schlachtverlauf. Gebannt folgen die Soldaten in Uniform den Vortrag. Dass sie bislang weder in der Ausstellung noch bei den Ausführungen von Herrn Frank etwas über den verbrecherischen Charakter des Unternehmens »Barbarossa«, dem Angriff auf die Sowjetunion, erfahren haben, scheint sie nicht zu stören. »Ganz schönes Gerät«, flüstert ein Soldat seinem Nebenmann zu. Er scheint von der Größe des Panzers V beeindruckt zu sein. Neben dem Panzer beschreibt ein Schild, wann er wie oft gebaut wurde und wie schwer er ist. Wo er warum zum Einsatz kam wird nicht beschrieben.

Der Panzer V wurde zunächst an der Ostfront eingesetzt. Bei der Vorbereitung zum Unternehmen »Zitadelle«, der letzten Großoffensive der Deutschen in der Sowjetunion im Jahre 1943, kam er bei einer mehrwöchigen Operation gegen Partisanen zum Einsatz. Bei dem Unternehmen »Zitadelle« wurden die Panther-Panzer dann ausschließlich der Elitedivision »Großdeutschland« zugeführt. Diese Division war bereits 1941 in Kriegsverbrechen in Jugoslawien involviert. Angehörige der Einheit erschossen als Sühne für den Tod eines deutschen Soldaten 100 Zivilisten in Pancevo

Technikfetischismus für Jung und Alt

Die SS-Panzerdivisionen werden einige Meter weiter in einer großen Schautafel erwähnt. Ihre Wappen sind neben den Panzerdivisionen der Wehrmacht zu sehen. Auch an dieser großen Schautafel mit den schönen Wappen fehlt jegliche Erklärung. Nicht der geringste Hinweis findet sich darauf, dass die SS-Divisionen an Kriegsverbrechen beteiligt waren. Wie zum Beispiel die 5. SS-Panzerdivision Wiking. Im Jahr 1941 ermordeten Angehörige der Division 600 Juden in Galizien. Auf den Todesmärschen des KZ Mauthausen töteten Angehörige der Division zahlreiche geflüchtete oder nicht mehr marschfähige Häftlinge.

»Boah, hat der eine riesige Kanone!«, ruft ein kleiner Knips, rennt zu einem Stahlkoloss und lässt sich davor von seinem Vater fotografieren. »Der war auch verdammt schwer zu knacken«, erklärt der Vater mit dem typischen Klang in der Stimme, der die Technikfaszination erkennen lässt. Doch der »Königstiger« mit dem Zeichen des 1. SS-Panzerkorps war eben nicht nur ein friedliches technisches Meisterstück. Und das vergessen sowohl der Vater als auch die Ausstellungsmacher. Er wurde in den Jahren 1944 und 1945 entwickelt und kam vor allem in Einheiten der Waffen-SS zum Einsatz. Im Oktober 1944 waren 35 Königstiger bei der »Operation Panzerfaust« in Budapest beteiligt und halfen SS-Truppen und Elitefallschirmjägern beim Sturm auf die Burgberg-Festung, um Admiral Miklos Horthy auf Befehl Hitlers abzusetzen.

Weiter geht die Führung durch die Ausstellung. Friedlich stehen die Panzer mit ihren aufgemalten Eisernen Kreuzen oder Hakenkreuzen unter Palmen, dem Zeichen des Deutschen Afrikakorps, nebeneinander. Einem älteren Ehepaar scheint das »Palmensymbol« neu zu sein. »Schau mal, Hitler am Strand«, scherzt die ältere Dame und bleibt vor dem Panzer IV stehen. »Über 7000 wurden davon gebaut. Das hätt' ich nicht gedacht«, kommentiert ihr Mann die Tafel mit den technischen Details. Anfügen würde man unter die Tafel gern Folgendes: Der Panzer IV kam beim sogenannten »Afrikakorps« der deutschen Wehrmacht zum Einsatz. Lange hielt sich die Propaganda des »sauberen Krieges« in Afrika – von einem »ritterlichen Ringen« war die Rede. Neuere Forschungen belegen, dass die Nationalsozialisten auch auf dem afrikanischen Kontinent ihre Vernichtungspläne gegenüber den Juden umsetzen wollten. Mit Rommels Vorstürmen gerieten an die 500 000 in Ägypten lebende Juden ins Visier der Deutschen. Im Juli 1942 vereinbarte das Reichssicherheitshauptamt zusammen mit dem Oberkommando der Wehrmacht die Aufstellung eines neuen Einsatzkommandos. Das »Einsatzkommando Ägypten«, das Rommels 5. Panzerarmee unterstand, sollte »in eigener Verantwortung gegenüber der Zivilbevölkerung Exekutivmaßnahmen« vornehmen.

Mär vom militärischen »Saubermann«

Wehrmachtsgeneral Erwin Rommel kommt noch an anderer Stelle zu Ehren. In einem Nebenraum von Halle 1 werden Erinnerungsstücke ausgestellt – Wehrmachtssammelfiguren marschieren kommentarlos durch Vitrinen und Generalfeldmarschallstäbe werden ausgestellt wie anderswo Sammeltassen. Eine große Vitrine ist Erwin Rommel gewidmet. Er wird im Panzermuseum geradezu als Lichtgestalt der Wehrmacht gefeiert. Neben seiner Originalfeldbluse findet sich auch seine Totenmaske im Ausstellungskasten. Rommel wird als rein militärischer »Saubermann« dargestellt, der nichts gemein hatte mit einem nationalsozialistischen Führungsoffizier. Dabei ermöglichte er den Vormarsch der Deutschen in Afrika und musste als Generalfeldmarschall eigentlich etwas von Hitlers Plänen gegenüber den Juden mitbekommen haben. Im Jahr 1943 wurde Rommel schließlich nach Italien versetzt. Mussolini war gerade gestürzt und Italien drohte an die Alliierten zu fallen. Rommel erteilte daraufhin im September die Weisung: »Irgendwelche sentimentalen Hemmungen des deutschen Soldaten gegenüber badogliohörigen Banden in der Uniform des ehemaligen Waffenkameraden sind völlig unangebracht. Wer von diesen gegen den deutschen Soldaten kämpft, hat jedes Anrecht auf Schonung verloren und ist mit der Härte zu behandeln, die dem Gesindel gebührt, das plötzlich seine Waffen gegen seinen Freund wendet.«

Nach zwei Stunden beginnt einem der Kopf vor lauter Panzern zu schwirren. Im Museumsshop kann man noch schnell ein Zippo mit Eisernem Kreuz kaufen. Aufklärung und historisches Bewusstsein muss man sich dagegen anderswo besorgen.

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