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Stephen Colbert: Trump-Kritiker abgesägt
Late-Night-Comedian Stephen Colbert geißelte den US-Präsidenten und den eigenen Mutterkonzern. Jetzt wird seine Sendung abgesetzt
Als Stephen Colbert vor zehn Jahren von Ikone David Letterman dessen Late Show auf dem US-Sender CBS übernahm, fragten sich viele Fans zunächst, ob Colbert nun die Finger von politischen Kommentaren lassen würde. Er war berühmt geworden als Fake-Korrespondent der linken Daily Show auf Comedy Central. Später bekam er mit »The Colbert Report« ein eigenes Spin-Off, in dem er jahrelang die überzogene Karikatur eines rechten Medien-Influencers mimte. Selbst beim alljährlichen Correspondent’s Dinner des US-Präsidenten, zu dem er 2006 als Hauptredner geladen war, blieb er direkt neben George W. Bush in dieser Rolle.
Neun Jahre danach sollte er nun also eine Show übernehmen, die bislang eher unpolitisch gewesen war, der typische Mix eben aus Zotenmonolog, Top-Ten-Listen und Interviews mit Stars und Sternchen. Colbert ging einen anderen Weg und blieb sich dabei treu. Vor allem Donald Trump kritisierte er in den folgenden Jahren fast täglich. Das kostete die Late Show anfangs einige Zuschauer, dafür kamen andere neue hinzu. Unter Colbert stieg die Late Show schnell und dauerhaft zur Nummer 1 im Late-Night-Kosmos auf. Eine Leistung, die selbst Letterman im ewigen Duell mit Jay Leno nur äußerst selten gelungen war. Colbert steht immer noch ganz oben in den Reichweitelisten, dennoch verkündete er in seiner Show am Donnerstagabend, dass CBS die Show am Ende der Saison im Mai 2026 absetzen werde.
Der Sender nannte dafür »finanzielle Gründe«, die nicht komplett von der Hand zu weisen sind. Dennoch muss besonders jetzt daran gezweifelt werden, dass es die einzigen sind. Colbert hatte nur zwei Tage zuvor den Mutterkonzern von CBS, Paramount, in seiner Sendung heftig kritisiert: Paramounts Führungsriege will seit Langem den verschuldeten Mediengiganten mit Skydance Media fusionieren lassen. Bei dem Deal winken Milliardeneinnahmen, doch die staatliche Kartellbehörde, die seit Januar von Donald Trumps Anhängern kontrolliert wird, muss noch zustimmen. Passiert das nicht bis Oktober, platzt der Deal und Paramount muss die 400 Millionen Dollar teuren Kosten tragen.
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Präsident Trump wiederum hatte CBS wegen eines vermeintlichen Eingriffs in den Wahlkampf 2024 verklagt, weil in der Sendung »60 Minutes« ein Interview mit seiner Kontrahentin Kamala Harris geschnitten worden war. Obwohl das völlig üblich ist und alle Rechtsexperten Trump keine Chance in dem Verfahren eingeräumt hatten, stimmte Paramount unter dem Fusionszeitdruck nun einem Vergleich zu und zahlt Trump 16 Millionen Dollar. Colbert nannte das in seinem Monolog beim Namen: »Große, fette Bestechung«. Zwei Tage später bekam er die Nachricht, dass seine Sendung abgesetzt wird.
Die Late Show ist zwar nicht die erste Late-Night-Comedy, die eingestellt wird. Seit Jahren verliert das Format selbst in den USA Zuschauer. Als Jay Leno 1992 vom »King of Late Night« Johnny Carson bei NBC dessen Tonight Show übernahm, schauten noch 16 Millionen Menschen zu. Bei Colbert sind es im Schnitt nur noch 2,4 Millionen. Der Rückgang liegt vor allem an der Zersplitterung der Medienlandschaft: Heute gibt es viel mehr Late-Night-Formate als früher, die sich den selben Kuchen in viele kleinere Stücke teilen. Außerdem locken Streaming-Plattformen wie Netflix, Hulu, Disney-Plus (und Paramount+ selbst) junge Menschen immer mehr vom altmodischen Live-Fernsehen weg.
Dennoch ist es höchst ungewöhnlich, wenn der Marktführer Colbert vor vielen anderen gehen muss. Der 61-jährige jüngste Sohn einer 13-köpfigen Katholikenfamilie, aufgewachsen in South Carolina, hatte das Format neu ausgerichtet, indem die Politik nun auch bei den großen Sendern ins Zentrum des Witzes gestellt wurde. Auch die direkten Kontrahenten Jimmy Kimmel und Jimmy Fallon wurden daraufhin mutiger. Diese Modernisierung hat Late-Night-Shows in den USA vermutlich sogar noch ein paar Jahre länger überleben lassen. Doch bald ist es zumindest auf CBS vorbei damit und den Zuschauern droht stattdessen der dritte Spin-Off von Big Bang Theory.
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