Die Genossenschaftsbank als Erfolgsmodell

  • Sven Giegold
  • Lesedauer: 5 Min.
Sven Giegold
Sven Giegold

Die Geschichte der großen Finanzkrisen des Kapitalismus entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine Geschichte von Bankenkrisen. Wie bei dieser Krise zeigt sich immer wieder die zentrale Rolle von Banken. Freilich verkalkulieren sich auch andere Unternehmen. Bei systemrelevanten Banken kann der Staat den Konkurs jedoch nicht zulassen. Denn das Funktionieren des Geldsystems ist ein notwendiges öffentliches Gut und reißende Kreditketten haben schwere externe Effekte. So waren die Folgen verheerend, als die US-Regierung im September 2008, Lehman Brothers in die Pleite schickte. Viele AnlegerInnen verloren ihre Ersparnisse, und die Finanzkrise erfuhr eine enorme Beschleunigung.

In Deutschland wurde mit dem Bankenrettungsfonds die Pleite mehrerer großer Institute verhindert. Allerdings ist der Fonds eine teure Fehlkonstruktion. Erstens übernimmt der Fonds faule Investments maximal für 36 Monate, so dass sie weiterhin mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Zweitens besteht der Fonds nicht grundsätzlich darauf, stimmrechtstragende Anteile an den Banken zu erwerben. Mit stillen Teilhaberschaften erwarb der Staat mit Steuergeld minderwertige Beteiligungen. Drittens wurde sträflich darauf verzichtet, mit der Übernahme von Risiken bzw. Anteilen der Banken konsequente Auflagen zu machen. So wurde darauf verzichtet, die unterstützten Banken zum Rückzug aus den Steueroasen zu verpflichten. Grotesk, wenn man bedenkt, dass das Engagement etwa der Commerzbank in den Steueroasen die Finanzierungsbasis des Staats untergräbt, dessen Hilfen in Anspruch genommen wird. Viertens wird den Banken freigestellt, ob sie die Hilfe des Fonds in Anspruch nehmen. Das Management vieler Banken will die Einmischung in die Geschäftspolitik inklusive der Managementgehälter jedoch verhindern. Die Verzögerung bei der Inanspruchnahme des Fonds vertieft die Krise, weil die Banken Kredit prozyklisch verknappen.

Die Konsequenz aus all dem ist, dass der Staat krisengeschüttelte Banken verstaatlichen sollte. Damit erhielte der Staat nicht nur die Risiken, sondern auch eine höhere Chance auf mögliche Gewinne beim Verkauf. Die öffentliche Hand würde sich durch die Verstaatlichung aus dem Dilemma befreien, dass Banken Hilfen nicht annehmen, um sich legitimen Auflagen zu entziehen. Die Entwicklung wird angesichts der Risiken in den Bankbilanzen ohnehin in diese Richtung gehen. Eine Politik der raschen Verstaatlichung könnte jedoch das Siechtum beenden.

Die Kosten der notwendigen Rettungsaktionen zeigen zudem, dass der Finanzsektor schon aus ordnungspolitischen Gründen besonders besteuert werden muss. Die Einführung einer umfassenden europäischen Finanzumsatzsteuer ist überfällig.

Höchst fragwürdig ist jedoch, ob der Staat die erworbenen Großbanken dauerhaft in öffentlicher Hand behalten sollte. Unabhängig von der Eigentumsform muss der gesamte Banksektor strengen Regulierungen unterworfen werden. Banken brauchen ausreichend Eigenkapital, damit nicht die Allgemeinheit die Kosten etwaiger Rettungen tragen muss. Nach der Rezession müssen die Vorschriften zur Unterlegung mit Eigenkapital verschärft werden und für alle bankähnlichen Geschäfte gelten. Die Steueroasen müssen geschlossen werden. Auch die Vergütungssysteme für das Management und ihre Haftung gehören reguliert. Schließlich müssen in Deutschland die Bedingungen verbessert werden, um gegen wirtschaftskriminelles Verhalten vorzugehen. Wir brauchen den besseren rechtlichen Schutz von sogenannten whistle blowern wie auch ein eigenes Unternehmensstrafrecht.

Was die Eigentumsform angeht, so haben wir in Deutschland bereits ein dreigliedriges Bankensystem mit Privatbanken, Genossenschaftsbanken sowie öffentlichen Banken darunter Sparkassen und Landesbanken. Durch diese Vielfalt verfügt Deutschland über ein vergleichsweise hohes Maß an Wettbewerb im Bankensektor, das den Zugang zu Kredit erleichtert. Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben sich mit ihrem recht klar umrissenen Geschäftsfeld als Anker der Stabilität und als Garant der Kreditversorgung erwiesen. Beide müssen aufgrund ihrer Eigentümerstruktur ihre Gewinne nicht maximieren.

Die Genossenschaftsbanken sind jedoch private und eben keine öffentlichen Banken. Es gibt keine Veranlassung, gerade dieses Erfolgsmodell durch Verstaatlichung zu beenden. Wünschenswert wäre nur, wenn sich manche Genossenschaftsbanken wieder stärker an den Zielen ihrer Gründer orientierten. Grundsätzlich jedoch gilt es, den Solidarischen Sektor im Banken- und Geldwesen, zu dem auch die wachsenden Regionalgeldsysteme zählen, rechtlich abzusichern und zu stärken. Spätestens nach den Erfahrungen in dieser Krise müssen alle Versuche politisch konsequent zurückgewiesen werden, Genossenschaftsbanken wie Sparkassen, sei es über Privatisierungen, sei es über EU-Recht, zu privaten Banken zu machen.

Wer nun die dauerhafte Verstaatlichung der Privatbanken fordert, sitzt jedoch dem grundlegenden Irrtum auf. Zur Sicherung öffentlicher Interessen kommt es nicht vor allem darauf an, wer Eigentümer ist, sondern wer Kontrolle ausübt. Akteure neigen dazu, einmal etablierte sinnvolle Regeln zu ignorieren, zu umgehen bzw. auf ihre Abschaffung zu drängen. Öffentliche Kontrolle großer Einheiten ist immer prekär. Eine einfache Antwort gibt es darauf nicht. Die Wirtschaftsgeschichte ist jedoch voll von Krisen staatlicher Banken, die sich massiv verspekulierten.

Auch in dieser Krise haben die staatlichen Landesbanken, mit Ausnahme der Bremer Landesbank, keineswegs besser ausgesehen als die privaten Großbanken. Es ist höchst zweifelhaft, ob staatliche Großbanken leichter zu kontrollieren und regulieren sind als private Banken. Ein Blick in den Energiesektor im eigenen Land wie etwa in Frankreich oder Schweden zeigt vielmehr, dass ein Staat im Staate zu entstehen droht. Da das Management in den Unternehmen direkt politisch bestimmt wird, fällt es politischen Akteuren umso schwerer, sich einzumischen.

Ich bin überzeugt davon, dass es gerade zur Sicherung von Gemeinwohlinteressen im Finanzsektor auf Trennungen zwischen Wirtschaft und Staat ankommt. Wir brauchen unabhängige Kontrolleure und Aufsichtsbehörden, die eben nicht mit den zu kontrollierenden Finanzmarktakteuren verbunden sind. Die dauerhafte Verstaatlichung dient dazu eben nicht.

Sven Giegold, Jahrgang 1969, ist einer der rund 200 Gründer des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac in Deutschland. Der studierte Ökonom ist Mitglied der Attac-Arbeitsgruppe »Finanzmärkte und Steuerflucht« und wirkte als Vertreter der Umweltorganisation BUND im Koordinierungskreis des Netzwerkes mit. Vergangenen September trat Sven Giegold den Grünen bei und will im Juni für ein Mandat bei den Wahlen zum Europaparlament kandidieren.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal