• Kultur
  • Literaturbeilage Leipziger Buchmesse

Marcos' Kampf

MEXIKO

  • Johnny Norden
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bilanz eines dreizehnjährigen Kampfes versucht Laura Castellanos im Gespräch mit dem legendären Guerillakommandeur Marcos zu ziehen. In erfrischend-lockerem Stil, sachlich, mitunter auch poetisch und dann wieder ironisch erinnert der Subcomandante an den Beginn des Indio-Aufstands im bitterarmen Südosten Mexikos am 1. Januar 1994, dem Tag des Inkrafttretens des nordamerikanischen Feihandelsabkommens: Hunderte maskierte Kämpfer besetzten gleichzeitig fünf Bezirksstädte in der Provinz Chiapas. Sie outeten sich als Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) und erklärten der Regierung den Krieg. Sie forderten Land, Gesundheit, Bildung und autonome Selbstverwaltung für ihre indianischen Gebiete.

Der Krieg dauerte zwölf Tage. Die Armee sandte 3000 Soldaten, Panzer und Flugzeuge gegen die Indio-Milizen. Eine gewaltige Solidaritätsbewegung in Mexiko und auf der ganzen Welt erzwang einen Waffenstillstand und die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Marcos stellt heute fest, dass es damals die einzigartige Möglichkeit gegeben hätte, die Regierung zu stürzen und eine demokratische Revolution einzuleiten. Selbstkritisch schätzt er ein, die politische Zerrissenheit und die Schwäche der herrschenden Clique in jenen Tagen unterschätzt zu haben.

Zu den besonders beeindruckenden Abschnitten der Interviews gehören die Schilderungen der entsetzlichen Lebensbedingungen mexikanischer Indios und die Erläuterung der spannenden Versuche, autonome Strukturen auf kommunaler Ebene in den befreiten Gebieten aufzubauen. Marcos erzählt, dass die einzige Perspektive für Kinder seiner Heimat bislang darin bestand, ein ausgelaugtes Stück Feld an einem Berghang zu bestellen. Mädchen wurden mit zwölf, Jungen mit 15 Jahren verheiratet. »Mit 30 hat das Paar ein dutzend Kinder und die beiden sahen aus, als wären sie 70.«

1995 begann der Aufbau von 38 autonomen Gemeinden mit einem regierungsunabhängigen Gesundheits- und Bildungssystem sowie Einkommen schaffenden Projekten. Die Mitglieder der Räte sind Bauern, ihre Amtszeit beträgt zehn bis vierzehn Tage. »In dieser Zeit werden sie von der Gemeinschaft unterstützt«, erläutert Marcos. Danach gehen die Bauern wieder auf ihr Feld. »Für uns ist es wichtig, dass Politik nicht zu einer Angelegenheit für Profis ... wird. Mit der ständigen Ämterrotation wird außerdem Korruption verhindert. Das Wichtigste aber ist, dass alle lernen, Regierungsaufgaben zu übernehmen ...«

Marcos äußert sich hier auch erstmalig zu Schlüsselfiguren der lateinamerikanischen Politik wie Che Guevara, Fidel Castro, Hugo Chavez, Cristina Kirchner und Evo Morales. Der Mann mit der Sturmmaske bietet sogar Einblick in sein privates Leben. Und er bekräftigt: »Es ist nicht nötig, die Welt zu erobern. Es genügt, sie neu zu schaffen.«

Der Ertrag aus dem Verkauf dieses spannenden Buches geht an die zapatistischen autonomen Gemeinden.

Laura Castellanos/ Ricardo Trabulsi: Subcomandante Marcos – Kassensturz. Edition Nautilus. 157 S., br., 13,90 EUR.

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