Offensiv gegen Rassismus?

Gewerkschafter aus Europa tauschten Erfahrungen aus

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie kann sich die Arbeiterbewegung gegen Rassismus und Neofaschismus zur Wehr setzen? Mit dieser Frage beschäftigte sich eine internationale Konferenz des »Zentralen Arbeitskreises Offensiv gegen Rassismus und Rechtsextremismus« in ver.di.

In der aktuellen Wirtschaftskrise hetzen Rassisten und Faschisten gegen Sündenböcke, so der Eindruck des britischen Gewerkschafters Graeme Atkinson. Der Redakteur der antifaschistischen Zeitschrift »Searchlight« betonte vor den rund 100 Teilnehmern der ver.di-Rassismuskonferenz am Wochenende in Berlin die Notwendigkeit, Erwerbslose und Migranten zu organisieren. Ohne die »großen Bataillone der Arbeiterbewegung« könne die antifaschistische Bewegung nicht erfolgreich sein. Atkinson verurteilte die von Labour-Premier Gordon Brown verbreitete Parole »Britische Arbeitsplätze für britische Arbeiter«. Antirassische Arbeit sei keine moralische Frage, sondern »eine Grundfrage des Klassenkampfes, um die skrupellose Ausbeutung und Manipulierung durch Arbeitgeber zu verhindern, die die Tarifautonomie und starke Gewerkschaften brechen wollen«.

»Auch ohne die Wirtschaftskrise wäre die EU-Welt nicht in Ordnung«, erklärte Detlev Bruse, Bereichsleiter Europa in der ver.di-Zentrale. Europaweit gebe es sinkende Lohnquoten, ungeschützte Arbeitsverhältnisse und Angriffe auf Erwerbslose. Ver.di verlangt in einem Manifest für den Europawahlkampf eine radikale Abkehr vom Neoliberalismus und ein konsequentes europäisches Sozialmodell. »Wer Lohn-, Sozial- und Steuerdumping anzettelt, darf sich nicht darüber wundern, wenn die Völker Europas einander zunehmend mit Misstrauen begegnen, anstatt aufeinander zuzugehen«, so das Papier: »Wir brauchen mehr Europa, aber anders.«

Auf einem Markt der Möglichkeiten präsentierten die Konferenzteilnehmer eine Fülle regionaler Projekte wie die Gedenkstättenarbeit in Buchenwald oder das breite Engagement für ein tolerantes und weltoffenes Mecklenburg-Vorpommern. Teilnehmer aus Nordrhein-Westfalen schilderten eindrucksvoll, wie sie im Alltag von Neofaschisten bedroht werden. »Man will uns plattmachen«, so der Gewerkschaftssekretär Rainer Sauer, der antifaschistische Aktionen in seiner Heimatstadt Bocholt mit organisiert. Er beklagte, dass sich die örtliche Polizei sehr lange gleichgültig gezeigt habe. »Die Einschläge kommen immer dichter«, so die Berlinerin Sabine Heins, die an den Überfall von Neonazis auf hessische Gewerkschafter auf der Heimreise von der Dresdener Demonstration im Februar 2009 erinnerte.

Dass auch Gewerkschaftsmitglieder nicht automatisch immun gegen rassistische Parolen seien, stellte der Berliner Politologe Bodo Zeuner fest. Nur mittels Internationalismus könne rechtsextremistisches Gedankengut in den eigenen Reihen überwunden werden. Nationaler Standortkorporatismus sei kontraproduktiv. Die »Blamage der Neoliberalen« in der Wirtschaftskrise gebe den Gewerkschaften und der Linken die Chance, auch die Frage des Gemeineigentums an Produktionsmitteln wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

»Wir müssen aufhören, doppelzüngig zu reden und doppelbödig zu handeln«, erklärte ein Diskussionsteilnehmer selbstkritisch. Viele Betriebsräte und Kernbelegschaften versuchten mit reinem Standortdenken und der Entlassung von Leiharbeitern den Auswirkungen der Krise zu entkommen.

»Wenn wir nicht für unsere Rechte kämpfen, macht es kein anderer für uns«, sagte Mohamad Shaidi, langjähriger Post-Betriebsrat aus Frankfurt (Main). Er hatte nach dem Solinger Brandanschlag 1993 eine Betriebsvereinbarung zum gemeinsamen Vorgehen gegen rassistische und ausländerfeindliche Erscheinungen am Arbeitsplatz angeregt. Die Erfahrung mit der Umsetzung sei positiv.

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