Krankhafte Sammelwut

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 2 Min.

Rückhaltlose Aufklärung« in der Datenaffäre müsse es geben, die Untersuchungen würden »mit aller Konsequenz fortgeführt«, hieß es am Wochenende von Minister Tiefensee. Schade nur für die 53 000 deutschen Lidl-Mitarbeiter, dass sich diese Aussage nicht auf den jüngsten Skandal beim für seine großzügige Auslegung des Wortes Datenschutz bekannten Billigdiscounter, sondern auf die Spitzelaffäre bei der Deutschen Bahn bezieht. Nun ist Lidl allerdings auch nicht in staatlicher Hand, so dass sich Bundesminister eher selten in die unhaltbaren Zustände beim Vorreiter für Datensammlung und -speicherung einmischen.

Nachdem die Anfang 2008 aufgeflogenen, flächendeckend eingesetzten Detektive und Kameras wieder aus den Filialen verschwunden schienen, hatten anscheinend die Vorgesetzten selbst es in die Hand genommen, möglichst jeden Huster ihrer Angestellten zu protokollieren. Und tatsächlich waren auf den – von einem Verkaufsleiter besonders sicher in einer Bochumer Mülltonne »entsorgten« – Listen alle Krankheiten, Fehlzeiten und psychischen Probleme der meist weiblichen Mitarbeiter aufgeführt, inklusive Datum der krankheitsbedingten Kündigung.

Auf einen Aufschrei wie im vergangenen Jahr, als der oberste Daten(schutz)minister Schäuble medienwirksam einen Gipfel einberufen hatte, kann man diesmal wohl nicht hoffen. Lidl ist, im Gegensatz zur Bahn, kaum ein wahlkampfrelevantes Thema, es hängen auch keine Ministerposten davon ab. Dass inzwischen acht von 3100 Filialen einen Betriebsrat haben, dürfte den Angestellten auch kaum helfen. Vermutlich bewahrt Lidl Datensammlungen demnächst einfach »sicherer« auf.

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