»Meine Sprache versteht man durch die ganze Welt«
Am 31. Mai vor 200 Jahren starb Joseph Haydn – auf Spurensuche zwischen Geburts- und Sterbeort
Rohrau
Am 31. März 1732 bringt in Rohrau, einem Dorf in Österreich mit rund 60 Häusern unweit der ungarischen Grenze, die Köchin Anna Maria Haydn ihr erstes Kind zur Welt. Tags darauf wird der Junge auf den Namen Franziscus Josephus getauft. Der Knabe entzückt schon bald seine Umwelt mit einer wunderbaren Stimme und großer Musikalität. Ein Talent, das er offensichtlich von seinen Eltern erbte. Seine Mutter hatte eine schöne Gesangsstimme. Und über seinen Vater schreibt Haydn 1776: Er war »ein von Natur aus großer liebhaber der Music. Er spielte ohne eine Notte zu kennen die Härpfe, und ich als ein knab von 5 Jahren sang ihn alle seine simple kurze stücke ordentlich nach«.
Hainburg
Die Begabung des Jungen »verleitete meinen Vater, mich nach Hainburg zu den schull Rector mein anverwandten zu geben, um allda die Musicalischen anfangsgründe samt anderen Jugentlichen Nothwendigkeiten zu erlehrnen«. Fünf oder sechs Jahre alt ist Joseph, wie er gerufen wird, als er in das Haus seines Onkels Johann Matthias Franck ins nahegelegene Hainburg zieht, der dort Schulrektor und Chorregent ist. Hier wird er sowohl im Gesang, als auch an Instrumenten ausgebildet, besser gesagt gedrillt. Eine harte Zeit für das Kind, dennoch: »Ich verdanke es diesem Manne noch im Grabe, dass er mich zu so vielerley angehalten hat, wenn ich gleich dabey mehr Prügel als zu essen bekam.«
Wien
Lange bleibt er nicht in Hainburg. »Mit den 7ten Jahr meines alters hörete der Seel: Herr Capell Meister v Reutter in einer durchreise durch Hainburg von ungefähr meine schwache doch angenehme stime.« Der kaiserliche Hofkapellmeister Johann Adam Joseph Karl Georg Reutter nimmt den Jungen 1740 als Sängerknaben mit in den Wiener St. Stephansdom, wo »ich mit grossen beyfall bis in das 18te Jahr meines alters den Sopran« sang. Bis zum Stimmbruch. Aber nicht der ist der Grund, dass er 1749 Reutters Haus verlassen muss, sondern Haydns übermütige Art. Eines Tages schneidet er einem vor ihm sitzenden Mitschüler heimlich den zwingend vorgeschriebenen Zopf ab. Reutter nutzt die Gelegenheit, dem »Witzbold« eine Tracht Prügel zu verpassen und ihn aus dem Haus und der Schule zu jagen.
Lukavice
Mittellos steht der 17-Jährige auf der Straße, jahrelang schlägt er sich mehr schlecht als recht durchs Leben: Als Geiger in Kirchenorchestern, als Organist, als Musiklehrer. 27-jährig bekommt er eine Stelle als Kammerkomponist beim Grafen Morzin auf dessen Schloss Lukavice in der Nähe von Pilsen in Böhmen. Hier schreibt Haydn seine erste Sinfonie. Zu den Gästen des Hauses gehört der reiche Fürst Paul Anton von Esterházy, der das Talent des jungen Mannes erkennt und die erste sich bietende Gelegenheit nutzt, ihn an sein Schloss nach Eisenstadt zu holen. Die kommt 1761, als Morzin in finanzielle Schwierigkeiten gerät und als erstes die Musiker entlässt.
Eisenstadt
Haydn zieht mit seiner Frau Maria Anna nach Eisenstadt. Ein Jahr zuvor hatte er sie geheiratet – nicht aus Liebe, sondern aus Verdruss oder aus Loyalität ihrer Familie gegenüber. Möglicherweise wusste er selbst nicht, warum er das tat. Denn seine Liebe gehört Maria Annas Schwester Josepha. Doch sie zieht sich, obwohl sie seine Gefühle erwidert, irgendwann in ein Kloster zurück. Die Ehe mit Maria Anna wird bis zu ihrem Tod im Jahr 1800 unglücklich und kinderlos bleiben. Er betrügt sie mehr als zehn Jahre lang mit der italienischen Sängerin Luigia Polzell. Nie verstummen die Gerüchte, er sei der Vater ihres jüngsten Sohnes. Haydns Frau rächt sich auf ihre Art: Sie benutzt die originalen Notenblätter des Komponisten als Lockenwickler.
Als Musiker ist Haydn in Eisenstadt weit erfolgreicher denn als Ehemann. Fast 30 Jahre steht er im Dienst des Fürsten Esterházy, der die mittelalterliche Wasserburg in Eisenstadt zu einem prachtvollen Schloss mit prunkvollem Festsaal ausbauen lässt. Allein in den ersten fünf Jahren entstehen 30 Sinfonien und viele andere Werke. Bald ist Haydn das, war man heute einen Popstar nennt. Sein Ruf geht über Ländergrenzen, seine Werke werden in Paris oder Leipzig veröffentlicht und in Amerika bejubelt.
London
1782 bekommt Haydn eine Einladung nach London, die er aber erst acht Jahre später annehmen kann, nachdem Fürst Esterházy gestorben ist und Haydn pensioniert wird. Er erlebt einen begeisterten Empfang, stolz schreibt er nach Hause: »Meine Ankunft verursachte großes Aufsehen durch die ganze Stadt. Durch 3 Tag wurde ich in allen Zeitungen herumgetragen. Jedermann ist begierig, mich zu kennen.« 18 Monate bleibt er in England und gibt viele Konzerte. An der Universität Oxford, die ihm die Ehrendoktorwürde verleiht, wird seine Sinfonie Nr. 92 uraufgeführt, die seitdem »Oxford-Sinfonie« genannt wird.
Auch Esterházy-Junior will sich ein bisschen im Ruhm Haydns sonnen, und fordert ihn auf, nach Eisenstadt zurückzukommen. Der aber bleibt lieber unabhängig und gesteht einer Freundin: »Wie süß schmeckt doch eine gewisse Freiheit, ...«
Wien-Gumpendorf
Zurück in Österreich, kauft er 1793 in der Wiener Vorstadt Gumpendorf ein Haus als Alterssitz. Doch noch einmal reist der 61-Jährige nach England, erst 1797 bezieht er das Haus. Hier entstehen unter anderem das Oratorium »Die Schöpfung« sowie »Die Jahreszeiten« und – inspiriert durch »Good save the King« – die Melodie der Kaiserhymne, der heutigen Nationalhymne der Bundesrepublik.
Am 31. Mai 1809 stirbt er und wird auf dem Hundsturmer Friedhof in Wien beigesetzt. Als 1820 seine sterblichen Überreste nach Eisenstadt überführt werden, stellt man mit Entsetzen fest, dass sein Schädel fehlt. Zwei Männer hatten ihn entwendet, um mit ihm die damals gängigen Genie-Theorien der »Gallischen Schädellehre« zu bekräftigen. Erst 1954 kommt er in den Sarkophag im extra für Haydn erbauten Mausoleum der Eisenstädter Bergkirche, die heute seinen Namen trägt.
- Infos: Österreich Werbung Deutschland , Klosterstr. 64, 10179 Berlin, Tel.: (030) 21 91 48-0, Fax: (030) 213 66 73, E-Mail: deutschland@austria.info, www.austriatourism.com
- Ausführliche Infos zum Haydnjahr: www.austria.info/haydn2009
- Alle Stätten seines Lebens oder Wirkens sind heute Museen, überall finden in diesem Jahr zahlreiche Veranstaltungen statt.
- Zitate aus »Joseph Haydn – Sein Leben in Bildern«, Verlag Enzyklopädie Leipzig, 1959
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