Rekonstruktion oder Neubau?
Streit um Orgel der Dresdner Frauenkirche in seiner - vorerst - letzten Runde
Doch nicht nur das lässt die Wellen des Hickhacks so hoch schlagen. Es geht um viel Geld. Um die Spendenbereitschaft überhaupt und im jetzt zugespitzten Fall um die Summe der Dussmann-Stiftung für die Finanzierung des Orgelbaus. Die private Dussmann-Stiftung hatte ursprünglich Spenden in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro zugesagt. Die waren bis gestern auf Eis gelegt. Die Geldgeber hätten für die Neufassung der Silbermann-Orgel ins Portmonee gegriffen, hieß es. Und Dussmann favorisiert sächsische Orgelbauer, weltweit anerkannte Werkstätten, für den Auftrag. Dazu gehören traditionsreiche Orgelbauer wie Jehmlich in Dresden oder Eule in Bautzen, die jahrzehntelange Erfahrungen bei der Betreuung von Orgeln des Meisters Silbermann gesammelt haben. Vermutet wird auch von der Pro-Silbermann-Gruppe, dass die Kosten der von der Stiftung Frauenkirche als Bauherrn vorgesehenen modernen Orgel die Summe übersteigen könnten, die Spendern und Sponsoren bisher genannt wurde.
Am Mittwoch saßen die Kontrahenten in mehrstündigem Disput zusammen, um eine Lösung zu finden. Als solche standen - bei Redaktionsschluss lag noch keine Entscheidung vor - zur Wahl: Einlenken der Stiftung Frauenkirche; Kompromiss; Rückzug von Dussmann, d.h. moderne Orgel plus Spenden-Geld Dussmanns; Beharren der Stiftung Frauenkirche, d.h. moderne Orgel ohne Dussmann-Geld. Der in den USA lebende deutsche Nobelpreisträger Günter Blobel, der den Großteil seines Nobelpreises, umgerechnet rund 800000 Euro, für den Wiederaufbau der Frauenkirche gespendet hat, forderte unterdes am Mittwoch den Rücktritt des Stiftungsrates der Frauenkirche.
Auf der eigens eingerichteten Internetseite ist nachzulesen: In ihrer Satzung von 1994, die von der Entscheidung für den »historisch getreuen und vollständigen Wiederaufbau der Frauenkirche« ausgeht, nennt die Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Frauenkirche Dresden das Ziel des Orgelbaus: »Die barocke Innenausstattung mit der berühmten Orgel, auf der Johann Sebastian Bach 1736 spielte, wird wiederhergestellt.« Und sie traf damit auf Gleichklang des Gefühls vieler Menschen weltweit.
»Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang von Dresden«, schrieb Gerhart Hauptmann angesichts des zerstörten Elbflorenz. Und die 202 Jahre alte Frauenkirche, die zunächst den Bomben standgehalten hatte und am 15. Februar um 10.15 Uhr in Trümmern versankt, war, gemessen an den vielen anderen berühmten Bauwerken, die dem Inferno zum Opfer gefallen waren, »der schlimmste und größte Verlust«, so der Dichter Kästner. Mit ihrem Wiederaufbau soll »ein Symbol der Versöhnung und Verständigung« entstehen, wie die Freunde der Frauenkirche erklärten.
Der 1722 von Georg Bähr (1666-1738) entworfene, genial konstruierte Bau mit seinem »Kuppelwunder« und der ihm ebenbürtigen Orgel des berühmten sächsischen Orgelbauers Gottfried Silbermann - eine »einzigartige Symbiose von Raum und Instrument«, wie Christoph Wolff betont - bot ein unbeschreibliches Klangerlebnis. In den Jahren 1732 bis 1736 hatte Silbermann die große, dreimanualige Orgel mit 43 Registern geschaffen. Wilhelm Friedemann Bach, der - wie zuvor sein Vater Johann Sebastian Bach - 1843 bei der Uraufführung eines Oratoriums von Richard Wagner die Orgel spielte, sagte, der Orgelbauer Silbermann habe »Natur und Kunst besiegt«. - Anlässlich des Jahrestages der Zerstörung der protestantischen Kirche am 13. Februar dieses Jahres war auf einem anonymen Fürbittanschlag zu lesen: »Für die Orgelkommission, die gegen die Silbermann-Orgel entschieden hat: Herr, vergib ihnen, denn sie tun nicht, was sie wissen.«
www.frauenkirche-silbermann.de/html/ pro_moderne_orgel.htm
www.dussmann.de
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