Bankraub per Überweisung

Wirtschaftskriminalität in der Finanzindustrie nimmt zu / Anonyme Hinweise sollen dies verhindern

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Banken bieten ganz besondere Möglichkeiten für kriminelle Handlungen von Insidern. Immerhin kommen diese in direkten Kontakt mit großen Geldbeträgen.
Szene aus »Lautlos wie die Nacht« – es gibt effektivere und unauffälligere Methoden, eine Bank auszurauben.
Szene aus »Lautlos wie die Nacht« – es gibt effektivere und unauffälligere Methoden, eine Bank auszurauben.

Wie raubt man eine Bank aus? Am besten ganz ohne Pistole und unauffällig als Mitarbeiter in einem Geldhaus. Diesen Schluss legt jedenfalls eine neue Studie mit dem Titel »Wirtschaftskriminalität in der Finanzbranche« nahe, die von der Beratungsfirma Steria Mummert in Hamburg erstellt wurde. Die Palette der Delikte reicht von der heimlichen Mitnahme von ein paar Klebezetteln bis zum professionellen Insiderhandel an der Börse. Experten befürchten sogar, dass in den kommenden Jahren die Risiken noch wachsen werden.

Selbstverständlich wird in Banken, wie auch in anderen Unternehmen, gelegentlich mal ein Stift geklaut oder im Internet illegal eine Sexseite besucht. Banken bieten aber weit originellere Möglichkeiten als normale Gewerbebetriebe, wenn es um Taten mit echter krimineller Energie geht. Und die kommen den Instituten teuer zu stehen: Eine Untersuchung der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers ergab schon vor der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, dass die Schäden durch internen Betrug bedenklich zugenommen haben. Fast jede zweite Firma soll mittlerweile von Straftaten betroffen sein, und die durchschnittliche Schadenssumme beträgt 3,4 Millionen Euro. Dazu kommt eine erhebliche Dunkelziffer. Häufig werden Straftaten vom Management unter den Tisch gekehrt, weil man einen größeren Imageschaden befürchtet, wenn die Betrügereien durch Zeitungen und Medien geistern.

Das Problem ist auch von der Finanzaufsicht längst erkannt worden. Bereits vor vier Jahren verpflichtete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit ihrem Rundschreiben 08/2005 erstmals die Banken zu einer systematischen Bekämpfung und Vorbeugung betrügerischer Handlungen. Doch in den meisten Firmen fallen diese heute immer noch eher zufällig auf.

So konnte eine Frankfurter Bankbuchhalterin über Jahre wöchentlich eine minimale Summe auf ein geheimes Konto in Österreich überweisen, ohne entdeckt zu werden. Beliebt ist auch die Fehlbuchung von gewöhnlichen Kundenüberweisungen auf das Konto eines Mittäters. Fällt dies dem Kunden auf, wird das Geld einfach zurücküberwiesen. Da aber nicht jeder Kontoinhaber seine Auszüge sorgfältig kontrolliert, wird schätzungsweise jede zehnte Falschbuchung den Gaunern dauerhaft gutgeschrieben.

Andere Beschäftigte haben Zugang zu vertraulichen Daten von Verbrauchern, sei es die Persönliche Identifikationsnummer (PIN) für die Bankkarte oder sei es ein Nummernkonto in der Schweiz. In einem Fall sollen solche Kenntnisse zu illegalen Geldüberweisungen online von Dresden nach Russland geführt haben; in einem anderen Fall wurde ein Hamburger Handwerksmeister wegen vermeintlicher Steuerhinterziehung offenbar erpresst.

Missbräuchlich können auch andere Insiderinformationen aus dem Alltag genutzt werden. Drohen einer Aktiengesellschaft überraschend Verluste, könnte ein Bankmitarbeiter dieses Wissen an der Börse zu Geld machen. Oder will eine Firma drei Millionen Euro in eine neue Fertigung investieren, interessiert das den Konkurrenten des Unternehmens sehr. Ein Sparkassenangestellter in Süddeutschland soll mit entsprechenden Hinweisen sein Gehalt deutlich aufgebessert haben.

Wirtschaftskriminalität ist nicht allein in der deutschen Finanzbranche verbreitet. 76 Prozent der führenden Geldinstitute in Europa gehen davon aus, dass die Betrugsrisiken für Banken in den kommenden Jahren noch weiter steigen werden. Das ist das Ergebnis der aktuellen Studie über die Finanzbranche.

Neben den rein finanziellen Schäden drohen Kreditinstituten auch erhebliche Schäden an der Reputation. Daher werden von den Banken zahlreiche Methoden dagegen eingesetzt. Als Kernelement bewerten Sicherheitsexperten sogenannte Whistle-Blowing-Systeme. Beschäftigte können dabei – angeblich anonym – Hinweise auf Verdächtiges geben. Dabei greift die überwiegende Mehrheit der Institute auf E-Mail-Kontakte zurück. Aber jeder fünfte deutsche Finanzdienstleister hat nicht einmal alle Zweigstellen im In- und Ausland in sein Whistle-Blowing-System eingebunden. Im europäischen Durchschnitt klafft eine Sicherheitslücke sogar bei jeder dritten Bank.

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