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Warnstreiks in Brotfabriken
In der laufenden Tarifrunde macht die Gewerkschaft NGG Druck für ihre Forderungen
Der Tarifstreit in der deutschen Brot- und Backwarenindustrie spitzt sich zu. »Das bisherige Angebot der Arbeitgeber ist schlicht inakzeptabel«, sagte der NGG-Verhandlungsführer für den Tarifbezirk NRW und Nord, Mohamed Boudih, dem »nd«. Die Verhandlungen sollen am 27. Juni fortgesetzt werden.
Um Druck in den festgefahrenen Verhandlungen für die Brotfabriken in Nordrhein-Westfalen und im Norden Deutschlands mit Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein zu machen, setzt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) auf Arbeitskämpfe. Erste Warnstreiks gab es kürzlich etwa bei den Wback-Werken in Lünen, bei Lieken in Bönen, aber auch in Duisburg und Übach-Palenberg bei Aachen. Hier legten am vergangenen Freitag mehr als 200 Beschäftigte der Brotfabriken Bonback und Sindra, die für die Discounter Lidl und Kaufland backen, ihre Arbeit nieder, hieß es aus NGG-Kreisen. Der achtstündige Warnstreik soll die komplette Produktion in Übach-Palenberg lahmgelegt haben. Von hier werden Lidl-Filialen in ganz Europa und in den USA beliefert.
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Es gibt mehrere Tarifgebiete für die Brotindustrie, die jeweils einen großen Teil der dortigen Branche abdecken. Einen Pilotbezirk wie in der Metall- und Elektrobranche gibt es zwar nicht. »NGG-intern koordinieren wir aber selbstverständlich die Tarifpolitik. Ich gehe davon aus, dass die Arbeitgeber dies für sich ebenfalls tun«, sagt Boudih, der ankündigt, dass die Streiks diese und übernächste Woche weiter fortgesetzt werden. Die Beteiligung sei aus Gewerkschaftssicht bisher positiv.
Die Arbeitnehmervertreter fordern sieben Prozent mehr Gehalt bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, außerdem 100 Euro mehr für die Auszubildenden und deren Übernahme sowie zusätzliche freie Tage für NGG-Mitglieder. Mehr freie Tage für ihre Mitglieder haben zuletzt auch andere Gewerkschaften bei ihren Tarifverhandlungen gefordert. Mit Erfolg: Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie etwa hat im vergangenen Jahr bei ihren Verhandlungen einen weiteren freien Tag für ihre Mitglieder ausgehandelt. Teilweise bekommen langjährige Mitglieder noch einen weiteren Tag.
Die Arbeitgeber, zu denen auch Großanbieter wie Harry-Brot und Bonback zählen, hatten laut NGG gestaffelt drei Prozent mehr Lohn bei einer 15-monatigen Laufzeit vorgelegt. Die Gewerkschaft empfindet das Angebot als Provokation: »Die mickrige prozentuale Erhöhung gleicht nicht einmal die Inflation aus, vielmehr bedeutet das für die Beschäftigten einen Reallohnverlust«, sagt NGG-Verhandlungsführer Boudih.
Auch in Bayern und Hessen/Baden-Württemberg ist die Tarifrunde noch offen. Hier sind ebenfalls weitere Warnstreiks geplant. Im Tarifgebiet Ost gibt es seit einem Jahr einen Abschluss zwischen der NGG und dem Verband Deutscher Großbäckereien. Dieser sieht eine Lohnsteigerung von 6,76 Prozent über 13 Monate vor. Von dem neuen Tarifvertrag profitieren nach Angaben der Gewerkschaft rund 3000 Beschäftigte. Der Osten ist vor allem von den Backwarenherstellern Harry-Brot und Lieken dominiert. Diese produzieren unter anderem in Lüdersdorf (Mecklenburg-Vorpommern), Brehna, Wittenberg, Osterweddingen (Sachsen-Anhalt), Wiedemar (Sachsen) und Berlin.
Die Gewerkschaft stand aber vor einem Jahr in NRW selbst in der Kritik. In Dortmund protestierten Beschäftigte der Großbäckerei Lieken aus Lünen, da sie unzufrieden waren mit der Betreuung durch die NGG bei Verhandlungen für einen neuen Tarifvertrag, aber auch bei Klagen vor dem Arbeitsgericht. Die Gewerkschaftssekretäre seien nur schlecht zu erreichen und würden die Beschäftigten auch nicht genug unterstützen, hieß es in einem Medienbericht. Die Gewerkschaft bestritt die Vorwürfe.
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