Ein »Honoriger« und seine Rechtfertiger

Münchner Landgericht verurteilte Wehrmachtsmörder Scheungraber zu lebenslanger Haftstrafe

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Münchner Strafkammer sprach am gestrigen Dienstag den 90-jährigen Josef Scheungraber wegen zehnfachen Mordes und versuchten Mordes an italienischen Zivilisten schuldig. Das Urteil ließ 65 Jahre auf sich warten. Das Verbrechen ereignete sich im im Juni des Jahres 1944.

Der Angeklagte Josef Scheungraber hatte die Vorwürfe während des elf Monate dauernden Verfahrens stets bestritten. Und sonst beharrlich geschwiegen. Das Reden übernahmen andere. Als ein Kamerateam des Bayerischen Rundfunks in seinem Heimatort Ottobrunn Meinungen zum Prozess einholte, vernahmen die Kollegen Sätze, die Scham und Erschrecken erzeugen (sollten). Es sei, so sagte eine Frau und ereiferte sich, eine »Schweinerei«, was mit dem Mann gemacht werde. Schließlich ist der »ein alter, honoriger, eingesessener Ottobrunner«. Und wie honorig! Der Alte war Ehrenkommandant der Freiwilligen Feuerwehr und ist Träger einer »Bürgermedaille«. Weshalb eine andere befragte Nachbarin zumindest »Gnade vor Recht« forderte. Ein Mann meinte nur, man solle den 90-Jährigen »in Ruhe« lassen.

Derartiges hätte Gino Massetti aus Falzano di Cortona nicht für möglich gehalten. Er ist der einzige Überlebende des Massakers, das Angehörige der 1. Kompanie des Gebirgsjäger-Pionier-Bataillons 818 im Jahr 1944 in seinem Toskana-Ort angerichtet hatten. Der Wehrmacht-Offizier, der den Befehl gab und die Aktion leitete, war Leutnant Josef Scheungraber. Damals 26 Jahre alt, also kein junger Heißsporn mehr.

Der Mord war »Vergeltung« für einen Angriff italienischer Partisanen, bei dem zwei Gebirgsjäger umgekommen sind. Für das Münchner Gericht ist erwiesen, dass Scheungraber für den Tod von 14 Italienern im Juni 1944 zur Verantwortung zu ziehen ist. Vier wurden hinterrücks erschossen, elf in ein Bauernhaus getrieben, das Angehörige der 1. Kompanie in die Luft sprengten.

Bei den zehn Männern, die in dem Haus starben, habe es sich nicht um diejenigen gehandelt, die die deutschen Soldaten getötet hatten, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl. Es waren Zivilisten, Bauern aus der Region, von denen nicht einmal bekannt war, wie sie zu den Partisanen und deren Aktionen standen. Die Sühneaktion Scheungrabers habe also Unschuldige getroffen. »Bei seinem Vorgehen kam es dem Angeklagten darauf an, seinen Hass wegen des Todes seiner Soldaten abzureagieren und sich zu rächen.«

Scheungraber hat nicht mit einer Regung zu erkennen gegeben, dass er seine Tat bereut. Und Ähnliches war auch nicht von seinen Verteidigern zu vernehmen. Das hätte Dr. Klaus Goebel aus München auch verwundert. Der nämlich war bereits in den 80er Jahren Mitglied des Kuratoriums »Stille Hilfe« – einer Organisation, die unter der Führung der Himmler-Tochter Gudrun »alte Kameraden« umsorgte. Zugleich war Goebel Schriftführer der Hilfsgemeinschaft Rudolf Heß und dabei, als 1991 in München ein Kongress mit dem Holocaustleugner Fred Leuchter organisiert wurde.

Für den zweiten Scheungraber-Advokaten ist Goebel ein zwar konservativer doch demokratisch gesinnter Mensch. Rainer Thesen aus Nürnberg, Bundeswehr-Oberst d. R. und »Junge Freiheit«-Leser, muss es wissen. In der Sache ist er erfahren, schließlich hielt er unlängst in der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik einen Vortrag zur »Erschießung von Geiseln, Sühnegefangenen und sonstigen Zivilpersonen im II. Weltkrieg«.

Und auch der Dritte im Verteidigerbunde ist voll bei der Sache. Christian Stünkel aus Jena ist Mitglied der schlagenden Verbindung Halle-Leobener-Burschenschaft Germania und von der NPD sowie angeschlossenen rechtsextremistischen Vereinen als erfolgreich gern verpflichtet.

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